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Liebe mit beschrankter Haftung

Liebe mit beschrankter Haftung

Titel: Liebe mit beschrankter Haftung
Autoren: Voosen Jana
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verlieben, zusammenziehen … Gehen Sie zurück auf Los, begeben Sie sich sofort dorthin. Ziehen Sie keine viertausend Dollar ein.
    Energisch schiebe ich meine düsteren Gedanken beiseite. »Sei dankbar für das, was du hast!«, steht auf dem rosa Post-it an meinem Computermonitor. Eben! Ich habe eine ganze Menge! Meine Eltern. Daniel und Kati. Idefix. Eine süße Zwei-Zimmer-Dachgeschosswohnung. Und nicht zuletzt genug Aufträge als freiberufliche Journalistin! Noch während meines Germanistikstudiums habe ich begonnen, für diverse Frauenzeitschriften zu schreiben, und über eine schlechte Auftragslage kann ich mich wirklich nicht beschweren. Ich schreibe alles, was man bei mir bestellt, vom Schicksalsreport über Erfahrungsberichte bis zur Ratgeber-Kolumne. Und normalerweise macht mir meine Arbeit auch großen Spaß, aber heute bringe ich nicht einen einzigen vernünftigen Satz zustande. Und meine Gedanken wandern wieder nach Eppendorf, den benachbarten Stadtteil mit den schönen Altbauhäusern und der entzückenden, kleinen Kirche, wo ich … Nein, rufe ich mich selbst zur Ordnung. Das werde ich nicht. Nicht heute. Weil es irgendwie so kläglich ist. Armselig. Erbärmlich. Aber eben auch wunderschön und tröstlich.
    »Du bist ein Romantik-Junkie, Schneewittchen«, hat Daniel gesagt, als ich ihm von meiner neuen Wochenendbeschäftigung erzählt habe.
    »Na und? Was ist dagegen einzuwenden?«, habe ich mich verteidigt. »Andere Leute verbringen ihren Samstag damit, sich gegenseitig mit Farbpatronen abzuschießen und Krieg zu spielen. Dagegen ist mein Hobby doch total harmlos.« Damit hatte ich Daniel natürlich den Wind aus den Segeln genommen. Aber erst Pilcher und nun auch noch das – inzwischen mache ich mir doch ein bisschen Sorgen um mich. Nicht dass ich diese Erlebnisse nicht aus vollem Herzen genießen würde. Aber verwandele ich mich möglicherweise langsam, aber sicher in eine spinnerte alte Jungfer? Werde ich noch in zwanzig Jahren hier in meiner Single-Wohnung sitzen und mich am Samstagmorgen in mein schönstes Kleid werfen? Keinesfalls, schwöre ich mir, während ich wie magnetisch angezogen zu meinem Kleiderschrank gehe und den Blick über die bunte Auswahl schweifen lasse. In zwanzig Jahren liegt all dies weit hinter mir. Ich werde mein eigenes Glück gefunden und es nicht mehr nötig haben, mich am Glück anderer zu laben. Ich ziehe mein dunkelrotes, knielanges Samtkleid mit der Rüschenborte an Ärmeln und Saum hervor und halte es prüfend vor mich. Nur noch heute. Nur noch dieses eine Mal! Ich krame nach den passenden hochhackigen Schuhen. Nach diesem trostlosen Silvester habe ich mir ein bisschen Aufmunterung redlich verdient. Und nach dieser Woche vergeblichen Wartens auf ein Lebenszeichen von Timo. Der Blödmann. Wie unhöflich von ihm, meine netten Wünsche einfach zu ignorieren. Eigentlich kann ich wirklich froh sein, dass ich ihn los bin. Ich schlüpfe in schwarze Spitzenunterwäsche und eine hautfarbene Strumpfhose. Schließlich tue ich ja niemandem weh damit! Und solange keiner Schaden nimmt, sollte jeder tun und lassen können, was er will. Das ist meine Meinung. Eine halbe Stunde später stehe ich fertig angezogen und geschminkt im Flur vor dem großen Spiegel mit dem verschnörkelten Goldrahmen und betrachte mich zufrieden. Gut sehe ich aus. Der Hungerstreik, in den ich nach der Trennung getreten bin, hat sich ausgezahlt, denn ich bin so schlank wie schon lange nicht mehr. Meine glatten, kinnlangen Haare glänzen und den Mund habe ich, ganz im Schneewittchenlook, blutrot angemalt. Meine Laune hat sich schlagartig verbessert und mein Herz klopft voller Vorfreude. Die offenen Pumps sind für die eisigen Temperaturen draußen natürlich vollkommen ungeeignet, aber was macht das schon? Schließlich ist das hier ein ganz besonderer Tag für irgendjemanden. Und ich werde dabei sein.
    Um fünf vor zehn hat sich auf dem Vorplatz vor dem roten Backsteingebäude wie jede Woche eine ansehnliche Schar festlich gekleideter Menschen versammelt. Ich halte mich etwas abseits und ziehe meinen Wintermantel fester um mich. Eine resolut wirkende Frau mittleren Alters fordert schließlich alle Anwesenden auf, einzutreten, und ich folge der Gesellschaft durch das gewaltige Holztor ins Innere von Hamburgs beliebtester Hochzeitskirche. Die Blumensträuße aus weißen und roten Rosen, mit denen Bänke und Altar geschmückt sind, gefallen mir heute besonders gut. Unter allgemeinem Gemurmel werden die Plätze
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