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Liebe, lebenslänglich

Liebe, lebenslänglich

Titel: Liebe, lebenslänglich
Autoren: Ursula von Arx
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Dirk Niepoort, und dass er das seinen Kindern immer habe klarmachen wollen. Er glaube, dass Daniel sehr anpassungsfähig sei und in diesem Sinne frei.
    Vielleicht lag es an der Freiheit, die er verspürte. Auf jeden Fall war es für Daniel Niepoort nicht einfach herauszufinden, was er beruflich machen wollte. Eine Winzerlehre war naheliegend. Er war oft mit seinem Vater im Douro unterwegs gewesen, und er hatte dessen Leidenschaft für Wein früh vermittelt bekommen. Doch obwohl nie Druck auf ihn ausgeübt worden war, trug er lange eine Frage mit sich herum: »Würde ich das nur für meinen Vater tun oder wirklich für mich?«
    Als er sich endlich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte und sie dem Vater eröffnete, reagierte dieser zunächst gar nicht. Sie waren im Auto unterwegs nach Frankreich, und sein Vater schwieg einfach.
    Nach einer Weile fragte Daniel Niepoort: »Papi, hast du gehört? Ich will Winzer werden. W I N Z E R! Verstehst du?«
    Der Vater sagte nur: »Daniel, ich werde dir nicht helfen.«
    Darauf Daniel Niepoort: »Bist du denn nicht glücklich?«
    Der Vater wiederholte nochmals, dass er ihm nicht helfen werde.
    »Irgendwann fing ich an zu weinen. Dass er so abweisend reagieren würde, hatte ich ja nun wirklich nicht erwartet.« Und erst da, nach seinen Tränen, habe sein Vater Emotionen gezeigt und gesagt: »Daniel, ich bin der glücklichste Vater der Welt, aber ich darf es dir nicht zeigen.«
    Er wisse nicht, sagt Daniel Niepoort, ob er diesen Satz damals verstanden habe. Er wisse nur, dass er ihn niemals vergessen werde.
    Dirk Niepoort freute sich auf jeden Fall, als er erfuhr, dass sein Erstgeborener sein Metier erlernen wollte. Und drei Jahre später freute er sich nochmals, als auch der zweite Sohn diesen Weg einschlug: »Denn mit Wein zu arbeiten ist ja wirklich etwas Schönes.«
    Er wollte Daniel allerdings klarmachen, dass er sich nicht darauf verlassen durfte, bei Niepoort Vinhos ein sicheres Unterkommen zu haben. Er wollte, dass er sich bewusst wird, dass er nicht alleine ist. Daniel hat zwei Geschwister, und außerdem hat Dirk Niepoort eine Schwester, die ebenfalls zwei Kinder hat. Es sind also fünf Personen, die eines Tages klären müssen, wie sie sich organisieren und das Unternehmen untereinander aufteilen wollen. In seiner Generation ist er der Hauptverantwortliche für die Entscheidungen, die gefällt werden, aber seine Schwester will mitreden. Schon zu zweit ist es nicht einfach, sich einigen zu können. Zu fünft wird diese Aufgabe nicht leichter.
    Auch darum wollte Dirk Niepoort ganz sicher sein, dass Daniel wirklich das tut, was er tun will. Er wünschte sich keinen Sohn, der sich als Erfüllungsgehilfe von vermeintlich väterlichen Erwartungen zu etwas zwinge, was nicht seins ist. Daraus entstehe nichts Gutes. »Du kannst, wenn du wirklich willst«, an diesen Satz glaubt Dirk Niepoort aufgrund eigener Erfahrung. Voraussetzung für die Bewahrheitung dieses Satzes sei allerdings, dass man wisse, was man wolle. Wie oft war er als Spinner verschrien worden, weil er neue Wege beschritt, sei es im Marketing, sei es in der Produktion, sei es, als er das Douro-Gebiet nicht nur als Portwein-Gegend, sondern auch als Anbaugebiet für trockenen Weiß- und Rotwein bekannt machen wollte. Starke Anfechtungen könne man nur mit starken Überzeugungen kontern, sagt er. Und deshalb also, um den Willen seines Sohnes zu prüfen und zu festigen, habe er ihn anfangs ganz bewusst weder moralisch bestärkt noch sonst unterstützt. Er habe ihm keine Türen geöffnet und keine Beziehungen spielen lassen. Er ließ ihn seine Lehrstellen alleine suchen.
    So lernte Daniel Niepoort den Weinbau in der Schweiz. Manchmal habe er ihn dann aus Winterthur oder Maienfeld oder Tartegnin angerufen, etwa mit der Frage: »Papi, sag mal, würdest du einen Wein aus dem Jahr 2010 mit einem Etikett aus dem Jahr 2011 versehen, nur, weil du keine 2010-Etiketten mehr hast?« Und natürlich habe er da sagen müssen: »Nein, auf keinen Fall, das ist total unseriös.«
    Aber Dirk Niepoort ist der Meinung, dass man aus Fehlern sowieso am meisten lerne und dass es in der Lehrzeit in erster Linie darum gehe, neue Wirklichkeiten kennenzulernen. »Und wenn er schon Schweizer ist, soll er doch bitte auch die typisch schweizerischen Tugenden verinnerlichen: Pünktlichkeit, Präzision, eine gewisse Bodenständigkeit. Und danach bringe ich ihm das gewisse Etwas bei.«
    Dabei ist ihm bewusst, dass »es das Normale wäre, den
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