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Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Titel: Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
Autoren: Kristine Gasbarre
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werde ich ihm sagen. Es findet ein emotionaler – nein ein spiritueller – Austausch zwischen uns statt, und ich kann spüren, dass es dir manchmal genauso geht. Und ich weiß zwar, dass ich dich vielleicht nie wiedersehe, aber ich muss das alles einmal aussprechen.
    Die nächsten Worte lauten: Ich glaube, ich liebe dich.
    Erneut beginne ich zu heulen. Warum muss das alles so schwer sein? So viel Schmerzen und Elend! Ich bin ganz außer mir. Grandma wäre entsetzt, wenn sie mich so sehen würde. Sie würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen! So benimmt sich doch keine normale Frau! Bei einer gesunden Person hat die Liebe keine solchen Auswirkungen! Aber dann fällt mir ein, dass sie zugegeben hat, dass sie auch ab und zu in ihr Zimmer geht und um Grandpa weint. Selbst Grandma tut es also!
    Ich glaube, Grandpa hat sich lange schwer damit getan, seine Gefühle zu zeigen. Einmal, ich muss etwa sechs gewesen sein, habe ich im Haus am See einen Shirley Temple getrunken, während er auf der anderen Seite der Theke Gläser abtrocknete und einräumte. Ich biss in meinen roten Strohhalm und zeigte damit auf ihn, so dass er mich im Spiegel sehen konnte. »Ich habe eine Frage, Grandpa«, sagte ich. »Warum küsst du mich nie und sagst: ›Ich liebe dich‹, wie Grandma es macht?« Er gab keine Antwort darauf und tat so, als sei er sehr beschäftigt. Aber als ich an jenem Abend ging, umarmte ich ihn wie immer und sagte: »Hab dich lieb, Grandpa.«
    Und zum ersten Mal antwortete er laut und deutlich: »Ich habe dich auch lieb!«
    Mit Grandma ging er im Allgemeinen sehr sanft um, aber besonders liebevoll war er eigentlich nicht. Sie hat mir immer wieder erklärt, dass er so sehr mit seiner Arbeit beschäftigt war und sie deshalb nie seine volle Aufmerksamkeit hatte. Selbst wenn sie stritten, war seine Art, sich zu entschuldigen, zu sagen: »Und, bist du jetzt fertig mit dem Bösesein?«
    Chris ist vielleicht etwas fortschrittlicher … aber in Sachen Beziehung hat er noch einiges aufzuholen. »Warum küsst du mich nie und sagst: ›Ich liebe dich‹?« Will ich mein ganzes Leben lang einem Mann diese Frage stellen? Oder ist es möglich, dass Chris sich ändert und meinen Hinweis versteht, wie Grandpa damals?
    Vielleicht war ja die Frage der sechsjährigen Krissy in all ihrer Unschuld sehr weise: Wenn ich bereit bin, mich als Erste zu öffnen, dann könnte es doch immerhin im Bereich des Möglichen liegen, dass Chris seine Gefühle ebenfalls offenbart. Ich weiß nicht, ob mich das schwach oder stark macht, aber ich halte es einfach nicht für richtig, ihn aus meinem Leben gehen zu lassen, ohne ihm zu sagen, was ich für ihn empfinde.
    Er muss mir nicht die Welt zu Füßen legen, nicht heute und vielleicht niemals. Er muss mir noch nicht einmal einen Ausblick darauf geben, wo das mit uns hinführen könnte, wenn es überhaupt irgendwo hinführt. Ich kann ihm sagen, wie viel er mir bedeutet, und ihn dann gehen lassen. Grandma hat das ja auch gemacht. Und ich habe dazu noch den Vorteil, dass ich schon weiß, dass ich auch alleine klarkomme.
    Wenn ich ihm sage, was ich empfinde, und er empfindet nicht das Gleiche, dann habe ich es ihm wenigstens gesagt. Ich liebe ihn so, wie er ist, nicht unter der Bedingung, dass er mich auch liebt. Grandma würde die Ratschläge, die sie mir gegeben hat, so zusammenfassen: »Krissy, du hast keine Kontrolle darüber, wie ein Mann sich ausdrückt. Liebe ihn trotzdem.«
    Vielleicht bekomme ich nie von ihm, was ich will. Das weiß ich. Aber trotzdem bedeutet er mir etwas. Es ist eine Art von Liebe, die ich noch nie empfunden habe: Ich habe nicht das Bedürfnis, etwas von ihm zu verlangen; und meine Liebe zu ihm möchte ich ihm mit meinem Leben und nicht mit meinem Körper beweisen. Natürlich würde ich ihn nicht auf der Stelle heiraten – dazu hat er noch viel zu viel zu erklären. Könnte er sich überhaupt binden? Würde er unserer Beziehung so viel Platz einräumen, dass wir genug Zeit miteinander verbringen könnten? Würde unsere gemeinsame Zukunft ihm je so wichtig sein wie seine eigene? Ich bin nicht sicher, aber es spielt vielleicht auch keine Rolle: In zwei Tagen geht er nach Asien, und wenn er zurückkommt, wird er nur kurz hier sein, bevor er wieder wegmuss … und dann könnte ich bereits weg sein. Wenn ich es ihm nicht sage, wird er es nie wissen, und ich werde so oder so ohne ihn weiterleben.
    Ich hole tief Luft und wische mir die letzten Tränen aus dem Gesicht. Warum muss ich
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