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Liebe in Zartbitter

Liebe in Zartbitter

Titel: Liebe in Zartbitter
Autoren: Christa Dorn
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habe, nicht mehr aufzuhalten. Ich stehe wie erstarrt. Sekunden verwandeln sich in Unendlichkeit.
    Mit einem gezwungenen Lächeln nicke ich den Anwesenden zu, warte ihren Applaus ab.
    Was nun?
    Auf dem Pult liegt aufgeschlagen ein Manuskript. Ich werfe einen verzweifelten Blick darauf. Es ist in Deutsch abgefasst.
    Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzen... nimmt mein Auge die ersten Zeilen auf dem Blatt wahr.
    Das muss die Rede sein, die Elena Boyer halten soll.
    Ich spüre die auf mich gerichteten erwartungsvollen Blicke. Besonders den von André, der sich in der ersten Reihe niedergelassen hat, und weiß: Ich kann nicht mehr zurück.
    „Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzen...“ beginne ich mit vor Aufregung heiserer Stimme.
    Das Manuskript ist gut angelegt, es liest sich leicht. Nach der ersten Seite gewinne ich meine Sicherheit zurück und trage den mir fremden Text beinahe routiniert vor.
    An einigen Stellen gibt es Beifall, an anderen Unmutsbekundungen aus der Zuhörerschaft. Das kenne ich von der Uni und stelle mich darauf ein, wiederhole Passagen, die im Applaus, beziehungsweise in Buh-Rufen untergegangen sind. Seite für Seite kämpfe ich mich voran. Als urplötzlich Unruhe im Saal entsteht, sehe ich irritiert von dem Manuskript auf.
    Statt mir zuzuhören starren die Teilnehmer der Anhörung zur Saal-Tür. Dort steht wie angewurzelt eine junge Frau in einem eleganten, dunklen Kostüm. Klein, schlank mit kupferfarbener Frisur. Das muss sie sein: Elena Boyer.
    Mit empörtem Gesichtsausdruck eilt sie auf das Rednerpult zu.
    „Wer sind Sie? Was machen Sie hier?“, zischt sie, um Haltung bemüht. „Das ist ja wohl mein Vortrag! Wie kommen Sie dazu, ihn einfach so zu halten?“
    Das verstehe ich jetzt selbst nicht mehr. Das Blatt, von dem ich gerade noch abgelesen habe, gleitet mir aus der Hand und fällt zu Boden. Mein Kopf ist völlig leer.
    „Es tut mir leid, …, eine Verwechslung, …, mir blieb nichts anderes übrig…, wenn Sie jetzt übernehmen wollen?“, stammele ich, hebe es auf und reiche es ihr.
    Der Lärm im Saal ist ohrenbetäubend, es herrscht babylonisches Sprachengewirr. Die Delegierten aus den hinteren Reihen sind aufgesprungen, um ja nichts von dem zu verpassen, was hier vorne abläuft.
    „Bitte, meine Damen und Herren, nehmen Sie wieder Platz, die Anhörung wird sofort fortgesetzt!“
    Während die Präsidiumsvorsitzende versucht, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, betrachtet sie uns ungläubig, schaut von einer zur anderen. Ich bemerke, wie sie die Security am Eingang heranwinkt.
    Das ist das Ende, der Eklat nicht mehr aufzuhalten.
    „Entschuldigen Sie!“
    Wie eine Schlafwandlerin steige ich die Stufe des Rednerpodestes herunter und mache der echten Referentin Platz. Obwohl ich am liebsten fluchtartig den Saal verlassen würde, gebe ich diesem Drang nicht nach, sondern bewege mich gemessenen Schritts auf den Ausgang zu. Dort nehmen mich zwei Uniformierte in Empfang, fordern mich auf, ihnen zu folgen. Bevor sie die Tür hinter uns schließen, höre ich noch, wie die Präsidiumsvorsitzende um Ruhe bittet, und anschließend die Referentin, in der Berichterstattung fortzufahren.
    „Lassen Sie die Dame gehen, ich kümmere mich selbst um sie!“
    Unvermutet steht André de Marville vor mir. Er bedeutet den beiden, mich loszulassen und sich zurückzuziehen.
     „Was hat das zu bedeuten?“, flüstert er mir zu. Sein Gesicht ist undurchdringlich. Ich kann nichts daraus ablesen.
    Während ich mich bereit mache, endlich mit meinem Geständnis herauszurücken, stürzt de Marvilles Assistent auf ihn zu.
    Er schaut auf seine Uhr.
    „Nach meinem Zeitplan wird der Vortrag gleich beendet sein. In der Pause stehen am Ende des Ganges Erfrischungen für die Gäste bereit. Wollen Sie danach die Moderation übernehmen?“
    Da bemerkt er mich und die Security-Männer im Hintergrund. Irritiert  tritt er einen Schritt zurück.
    „Wer ist das? Die Referentin aus Deutschland? Aber die spricht doch noch da drinnen.“
    Mit der Organisation beschäftigt, hat er von dem, was sich eben im Saal abgespielt hat, augenscheinlich nichts mitbekommen.
    „Das möchte ich auch gern wissen. – Mademoiselle?“
    Wieder trifft mich dieser emotionslose Diplomatenblick.
    Bevor ich endgültig im Boden versinken kann, macht sich ein Mann bemerkbar, der nach uns ebenfalls die Anhörung verlassen hat.
    Es ist
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