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Liebe in Zartbitter

Liebe in Zartbitter

Titel: Liebe in Zartbitter
Autoren: Christa Dorn
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diplomatischen Dienst, Mademoiselle Boyer?“
    Er deutet auf den demolierten Bus, seinen Kopf und die leeren Schnapsfläschchen. „Dann ist Deutschland uns darin weit voraus.“
    Obwohl das sicher ein Scherz sein soll, behagt mir das Thema nicht. Auch nicht, dass er mich mit dem Namen einer Person anredet, die ich nicht kenne, die aber gewiss einige Schuld an unserer gegenwärtigen Situation trägt. Trotzdem kann ich mir eine Frage nicht verkneifen.
    „Was passiert eigentlich, wenn Sie nicht rechtzeitig im Parlament eintreffen, fällt die Anhörung dann aus?“
    Er wagt ein paar unsichere Schritte, wobei er sich an den Bäumen abstützt. Seine Stirn legt sich in sorgenvolle Falten.
    „Mich man kann leicht ersetzen, auf Sie kommt es an!“
    Warum spüre ich urplötzlich wieder den Geschmack von Zartbitterschokolade auf der Zunge? Eigentlich bin ich doch nur froh, dass ich Gesellschaft in dieser Einöde habe.
    De Marville greift in seine Brusttasche.
    „Keine Chance, Akku leer“, nehme ich ihm die Hoffnung, per Handy Hilfe herbeirufen zu können.
    Mein Magen knurrt unanständig laut. Ich genehmige mir einen weiteren „Feigling“. Der Alkohol betäubt das Hungergefühl.
    „Sieht wohl etwas schlecht aus, mit unserem Timing“, werfe ich kleinlaut ein.
    Seine Knie knicken ein, er lässt sich resigniert neben mir ins Gras sinken.
    „Da Sie haben recht, Mademoiselle Boyer. Ich wüsste nicht, wie wir so schnell können hier wieder wegkommen.“
    Boyer, Boyer! Ich kann diesen Namen nicht mehr hören, deshalb schließe ich mit mir einen Kompromiss, denn ihm gerade jetzt zu verraten, dass er sich irrt, was meine Person anbetrifft, halte ich nicht für angebracht.
    „Bitte nicht so förmlich, Monsieur de Marville, ich glaube, das ist unserer gegenwärtigen Lage nicht angemessen. Sagen Sie doch einfach Lena zu mir. Eine Kurzform von Elena“, füge ich schnell hinzu.
    Er sieht mich einen Moment verwundert an, dann versucht er zu lächeln. Es fällt etwas gezwungen aus.
    „Stimmt, Förmlichkeiten helfen uns nicht weiter in dieser Situation, Lena, aber Sie müssen mich dann ebenfalls nennen beim Vornamen. Ich heiße André.“
    So, wie er ihn mit seinem leichten  Akzent ausspricht, klingt der Name unglaublich romantisch. Ondree. Er greift nach meiner Hand und drückt sie, ich rücke ein wenig näher an ihn heran.
    Meine Radikalkur zeigt Wirkung, langsam scheint er sich zu erholen. Ich sehe es seinem Gesicht an. Das wirkt sehr anziehend, besonders wenn er lacht. Meine Augen verweilen an dem winzigen Spalt in seinem Kinn. Er wirkt so sexy.
    Einen Moment herrscht Schweigen. Ich lange nach dem Wasser und biete ihm eine Flasche an.
    „Wenigstens davon haben wir jetzt reichlich, nur nichts zu essen“, seufze ich, „und wenn es kalt wird, setzten wir uns in den Bus. Dort können wir notfalls sogar übernachten, wenn bis dahin keine Hilfe eintrifft.“
    Das hoffe ich nicht. So wie ich Fritze kenne, wird er inzwischen Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt haben, um seinen Bus zurückzubekommen.
    Ich spüre, wie André zusammenzuckt. Auch ihm scheint die Aussicht auf einen längeren Aufenthalt in dieser Einöde nicht zu behagen. Doch was ihn wirklich bedrückt, verrät er mir mit in der nächsten Sekunde.
    „Tun Sie mir einen Gefallen, Lena, sagen Sie mir bitte, was ist vorgefallen in der Nacht. Meine Erinnerung endet vor Ihrem Hotel als ich helfen wollte einem jungen Mann, aufzuheben seine Akten.“
    Vor dem Hotel von Elena Boyer, meint er wohl.
    Ich bin auf der Hut. Von meinem Streit mit Hendrik Würtz, der vergessenen Handtasche und Fritzens Bus kann ich ihm nicht erzählen, dann würde er ganz schnell darauf kommen, dass ich nicht die Referentin aus Berlin bin, für die er mich hält.
    Sorgsam wäge ich meine Worte.
    „Ich bin zu einem kleinen Abendspaziergang aufgebrochen, in den Park unweit des Hotels...“ Ein dritter „Feigling“ hilft mir, ihm wahrheitsgemäß vom Überfall des Vermummten zu berichten, der mir die Hotelschlüssel abgenommen, mich gefesselt, geknebelt und in den Kofferraum des Busses gesperrt hat.
    „Ich habe nicht die geringste Ahnung, was der Kerl eigentlich von mir wollte“, ende ich unbestimmt.
    André starrt mich an.
    „Und im Kofferraum Sie sind dann irgendwann gestoßen auf ein hilfloses Bündel – auf mich“, flüstert er.
    Es scheint ihm äußerst peinlich zu sein.
    „Ich war so froh, nicht allein in dem dunklen Loch zu sein, das dürfen Sie mir glauben“, ergänze ich
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