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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie in ganz Wladiwostok nicht mehr! Und nur, weil Sie mir so sympathisch …«
    »Wir nehmen die Matratzen«, sagte Grazina ruhig. »Warten wir, bis die anderen zurückkommen. Das Geld bekommen Sie, wenn wir auf den Matratzen liegen.«
    Nach vier Stunden kamen Gregor und Tschugarin zurück, müde und enttäuscht. Sie brauchten nicht zu schildern, was sie erlebt hatten.
    »Nichts?« fragte Grazina. Am Nebentisch räkelte sich das Mausgesicht und grinste zufrieden.
    »Sie schlafen schon in den Treppenhäusern auf den Stufen!« berichtete Gregor und setzte sich. »Und der Hafen ist abgesperrt. Passierscheine gibt es nur beim Stadtkommandanten. In den Büros der Reedereien spielen sich die wildesten Szenen ab! Aber alle ausländischen Schiffe sind schon ausverkauft, bevor sie im Hafen einlaufen.«
    »Ich habe vier Matratzen gemietet«, sagte Grazina und zeigte auf das Mausgesicht. Der Mensch stand auf, machte eine Verbeugung und grinste dümmlich. »In einem Lagerhaus am Hafen. Tausend Rubel für unbegrenzte Zeit …«
    »Man sollte dich tausendfach in den Hintern treten!« schrie Tschugarin aufgebracht. »Weißt du, wen du vor dir hast?«
    »Wen kümmert das noch?« Der Kleine hob beide Hände. »Vorgestern habe ich dem Fürsten Kyrill Lobanowskij ein Bett verschafft. Für einen zweikarätigen Diamanten. Wenn Sie mir jetzt sagen, Hochwohlgeboren, Sie seien eine Großfürstin und der Bürger da ein Großfürst, so muß ich notgedrungen die Preise erhöhen! Vielleicht sind in zwei Wochen die Roten da … Was habe ich dann noch? Man muß ernten, solange das Korn hoch steht!«
    Es hatte keinen Sinn, über Moral zu diskutieren. Man ging zu dem Lagerhaus und kam an dem abgesperrten Hafen vorbei. Hier lagen Hunderte auf der Straße zwischen ihrem Gepäck und warteten auf ihren Abtransport. Es hieß, Frankreich und alle ehemaligen Alliierten schickten Schiffe, um die Flüchtlinge vor der unaufhaltsam vorrückenden Roten Armee in Sicherheit zu bringen. Darauf hoffte man, kampierte unter freiem Himmel und hielt dort sogar Gottesdienste ab.
    Das Mausgesicht machte es möglich: In der großen Lagerhalle fanden sich noch vier Matratzen, flache Dinger, mit Seegras gefüllt, aber man lag wenigstens nicht auf dem kalten Betonboden. Er kassierte seine 1.000 Rubel, wünschte alles Glück und Gottes Segen und rannte davon, ehe Tschugarin ihn in den Hintern treten konnte.
    Das war gegen Morgen – in der Stadt hatten die Wirtschaften und Cafés die ganze Nacht geöffnet, denn aus dem Hinterland trafen immer neue Flüchtlingsströme ein und berichteten von den Grausamkeiten der Roten, wenn sie ihre Erlebnisse den Weißen erzählten, und von Greueltaten der Weißen, wenn sie heimlich einen Roten sprachen. Es war wirklich so: Keine Seite kannte Gnade! Jeder glaubte, daß nur Blut die beste Essenz für ein neues sauberes Rußland war.
    Gregor und Tschugarin schliefen nur zwei Stunden. Dann standen sie leise auf, um Grazina nicht zu wecken, und schlichen aus dem Lagerhaus. Sie gingen zum Hafen und fragten sich durch, bis sie an einen Major Semjon Ipatjewitsch Sternberg gerieten. Er war der gegenwärtige Hafenkommandant und wurde in zwei Stunden abgelöst.
    »Sie heißen Sternberg?« fragte Gregor, nachdem sie endlich vorgelassen wurden. Der Major residierte in der ehemaligen Hafenverwaltung. »Sind Sie Balte?«
    »Livländer!« Sternberg sah Gregor mißtrauisch an. »Wieso? Was wollen Sie?«
    »Ich bin Balte.« Gregor nahm Haltung an. »Gregor von Puttlach, Oberleutnant. Verlobt mit der Comtesse Grazina Wladimirowna Michejewa, der Tochter des Generals Michejew. Herr Major, wir bitten Sie um Ihre Hilfe …«
    Sternberg blieb trotzdem mißtrauisch. Er betrachtete den großen Mann in der schmutzigen Kleidung, aber so sahen sie jetzt alle aus, die von Sibirien kamen. »Können Sie sich ausweisen?« fragte er steif.
    »Nein.«
    »Wieso nicht …?«
    »Mit unseren echten Personalpapieren wären wir nicht bis hierher gekommen, Herr Major. Wir haben einen roten Paß auf den Namen Fatalew …«
    »Oha! Und damit sind Sie durch die weißen Kontrollen gekommen?« Sternbergs Gesicht wurde noch eisiger. Gregor merkte, daß er mit dem Gedanken spielte, ihn verhaften zu lassen. Die Furcht vor Spionen war beinahe hysterisch.
    »Wir brauchten ihn nur zum Einsteigen«, sagte er rasch. »Gereist sind wir dann in Särgen.«
    »In was?«
    »In Särgen! In einem Güterwagen! Bei Tschita ist Graf Michejew gestorben, wir mußten ihn am Bahngleis zurücklassen
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