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Liebe im Gepäck (German Edition)

Liebe im Gepäck (German Edition)

Titel: Liebe im Gepäck (German Edition)
Autoren: Sophie Berg
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zerknüllte er das Blatt Papier, auf dem er die vier Textzeilen geschrieben hatte. Seine Plattenfirma hatte schon Besseres abgelehnt. Doch Besseres fiel ihm nicht ein. Sein Kopf war wie blockiert. Und wenn er keinen Text hatte, dann hatte er auch keine Melodie. Bei ihm war es nicht so wie bei anderen Künstlern, die zuerst die Melodie im Kopf spürten, bevor sie den passenden Text dazuschrieben. Er brauchte meist zuerst die Idee für einen Text, er brauchte den Inhalt, dann kam die Musik.
    Harry überflog die Interviewfragen. Dasselbe Blabla wie vor zwei Tagen im Frühstücksradio. Dieselben Fragen wie vor einer Woche für die Homestory einer Frauenzeitschrift.Dieselben öden Fragen wie vor zwölf Tagen in einer Lokalzeitung.
    Das Telefon riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Ja?«
    Herwig meldete sich. Herwig Schauer, Harrys rechte Hand. Sein Leibwächter, sein Terminkoordinator, sein Fanpost-Beantwortungs-Helfer, sein Telefonfräulein, sein Butler. Sie waren zusammen zur Schule gegangen. Nicht, dass sie sich dort besonders mochten. Bis heute war keine wirkliche Freundschaft zwischen den beiden Männern entstanden. Aber Herwig war gewissenhaft. Er behielt dort einen ruhigen Kopf, wo Harry drohte, die Nerven zu verlieren. Er genoss es, in der Welt der Reichen und Wichtigen eine anerkannte Rolle zu spielen. Und Harry genoss es, möglichst viel an ihn zu delegieren und sich blind darauf verlassen zu können, dass alles zu seiner Zufriedenheit erledigt wurde.
    »Dein Bruder, auf Leitung 1.«
    Harry drückte auf den Knopf: »Hallo, Kleiner!«
    Harry hatte nur einen Bruder. Die beiden waren eineiige Zwillinge. Harry war siebzehn Minuten älter und einen Zentimeter größer als Matthias. Als sie Kinder waren, hatten sie sich wie ein Ei dem anderen geglichen. Inzwischen trug Matthias seine dunkelbraunen Haare kurz geschnitten, an der Stirn mit Gel zum Stehen gebracht. Er war stets glatt rasiert. Seine Kleidung war in jenem schlichten Schwarz, das in der Werbebranche seit Jahren als passendes Understatement galt. Alles edel und schlicht. Zurückhaltende Kleidung für Seeberstein? Undenkbar. Das hätte nicht zu seinem Latin-Lover–Image gepasst. Harry trug seine dunklen Haare schulterlang und hatte das große Glück, dass sie sich von Natur ausin sanfte Wellen legten. Anuschka wäre es zuzutrauen gewesen, ihm ansonsten Lockenwickler zu verordnen. Und Harry trug einen Spitzbart. Zwölf Zentimeter lang, mit Gel zu einem Dreieck geformt. Sein absolutes Markenzeichen. Ebenso wie der Ring in seinem linken Ohr. Meist ein schlichter silberner Ring. Manchmal, wenn er besonders gut aufgelegt war, mit einem originellen Schmuckstück verziert. In den letzten Monaten war es stets der silberne Ring gewesen. Er hatte nicht den geringsten Grund gehabt, gut aufgelegt zu sein.

    Man sagt immer, dass sich Zwillinge besonders gut verstehen. Dass der eine weiß, was der andere denkt. Bei Harry und Matthias war dies ähnlich. Auch wenn sie beruflich unterschiedliche Wege eingeschlagen hatten, auch wenn sie unterschiedliche Leben lebten, ihre Verbindung war eng. Und kein anderer Mann war je so nah an Harry herangekommen, wie es Matthias seit seiner Geburt war.
    »Hi Großer, also was ist? Wirst du morgen noch bei mir vorbeischauen? Du weißt ja, ich bin die nächsten vierzehn Tage nicht im Lande. Es wäre schön, dich vorher noch zu sehen.« Matthias war gut gelaunt wie immer.
    Harry seufzte. »Ach du Schande. Ich weiß nicht, Matthias, ob daraus was wird. Ich bin morgen Mittag in einer Jugendsendung. ›Eure Superstars – hautnah‹; da werden sie wieder einmal versuchen, mir nicht nur hautnah zu kommen, sondern mir die Haut vom Leib zu reißen. Anschließend will mich Anuschka treffen. Sie hat irgendetwas Großartiges ausgeheckt. Ich wage garnicht darauf zu hoffen, aber vielleicht ist es ihr wirklich gelungen, einen Sender dazu zu überreden, mir die Moderation einer Show zu übertragen. Aber wie gesagt, das sind noch ungelegte Eier.«
    »Moderation? Bist du sicher, dass es das ist, was du wirklich willst? Ich dachte, du seist mit ganzer Seele Musiker?«
    »Ja, dachte ich auch. Doch im Augenblick ist es schwierig mit der Musik. Um nicht zu sagen, da ist überhaupt keine Musik in meinem Kopf. Also hält es Anuschka für klug, sich nach etwas anderem umzusehen. Musik kann ich nebenher immer noch machen.«
    »Das klingt sehr nach Anuschka. Das klingt nicht nach dir.«
    Harry musste grinsen. Typisch Matthias. Einer der wenigen Menschen in seinem Leben,
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