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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten
Autoren: Erich Maria Remarque
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– kommentiert den Tod des älteren Juden, der vom Polizeiwagen gesprungen war, lakonisch: »Naja, halt ein Jud weniger« (S. 4).
      Bei der Verprügelung der jüdischen Studenten vor der Wiener Universität tönt es:
       »Juden raus!« – »Haut die Mosessöhne in die krummen
       Fressen!« – »Jagt sie nach Palästina« (S. 78).
    Die Ähnlichkeiten mit heutigen Medienberichten über Gewalt gegen Ausländer und die Transparente ›Ausländer raus!‹ sind nicht zufällig.
      Insgesamt betrachtet, beschreibt Remarque die Haltung der Menschen in dem geschilderten Umfeld der Exilanten sehr differenziert in den jeweiligen Ländern Österreich, Tschechoslowakei, Schweiz und Frankreich. Das gilt sowohl für nationalstaatliches Handeln wie für individuelle Menschlichkeit.
      So heißt es über Paris, in dem die Emigranten »sich geborgen« fühlen:
    In dieser Stadt, die alle Emigranten des Jahrhunderts aufge
    nommen hatte, wehte der Geist der Duldung; … man wurde
    nur soviel verfolgt, wie unbedingt notwendig war – und das
    erschien ihnen (den Exilanten) schon viel. (S. 263)
    Über die Prager Ordnungshüter sagt Kern bei seiner ersten Abschiebung aus Wien: »Die Polizei ist da besser« (S. 33). In Prag erhält Kern sogar eine kurzfristige Aufenthaltserlaubnis und landet nicht im Gefängnis (wie in Österreich, der Schweiz und Frankreich).
      In der Tat wird Österreich als schon in hohem Maße vom Faschismus durchdrungen geschildert. Daneben herrschen stumpfe Bürokratie, aber auch Mitmenschlichkeit, wie sie der Wiener Polizeibeamte bei Kerns zweiter Abschiebung zeigt. Wie später der Schweizer Richter gibt er Kern einen Geldschein in Verbindung mit seiner Amtshandlung, und zwar 5 Schilling, mit den Worten:
       Hier, trinken Sie eins dafür. Ich kann die Gesetze auch nicht
       ändern. Nehmen Sie den Gumpoldskirchner. Der ist dieses
       Jahr am besten. Und nun los! (S. 49)
    Die Begegnungen in der Schweiz sind zwiespältig. Da ist der deutschnational gesonnene Kommerzienrat Arnold Oppenheim, Jude und Deutscher mit Gastrecht in der Schweiz, der Kern schließlich ein Stück Seife für einen Franken abkauf. Deutschland ist für ihn das Höchste: »Ja, unser Deutschland! Das macht uns keiner nach, wie?« (S. 225). Er ist des Lobes voll über die deutsche Erneuerung:
       Man muß objektiv sein! … man kann gegen Deutschland
       sagen, was man will, die Leute jetzt drüben tun was! Und sie
       erreichen was! (S. 226)
    Und weiter muß Kern, der immer noch auf ein Almosen von etlichen Franken hof, sich anhören:
    Daß es dem einzelnen dabei manchmal schlecht geht oder
    bestimmten Gruppen… nun, das sind harte politische Not
    wendigkeiten ! Große Politik kennt keine Sentimentalität…
    Gewiß, es gibt da Übertreibungen, aber das kommt immer
    am Anfang vor. (S. 226)
    Da ist der deutsche Resident Ammers in Murten, der ihn bei der Polizei denunziert mit den Worten: »Ein vaterlandsloses Individuum ohne Paß, ausgestoßen aus dem Deutschen Reich« (S. 94). Aber da ist auch der Gendarm, der ihn gegen seine Dienstvorschrif zur Flucht ermutigt und der jüdisch-schweizerische Arzt Dr. Rudolf Beer, der alles für die kranke Ruth und Kern tut. Da ist der Schweizer Richter und die Besitzerin des kleinen Wäschegeschäfs in Luzern, Sarah Grünberg, die Kern sofort bei ihrer anstehenden Inventur beschäfigt. (S. 228-229).
      Die Ambivalenz unmenschlichen und menschlichen Handelns, gestützt auf Ideologie, Nationalismus, Fremdenhaß und Bürokratentum einerseits und unverstellter Humanität, direkter Mitmenschlichkeit andererseits, wird zu einem wesentlichen Spannungselement bei der Erzählung der Emigranten-Geschikke, vielleicht am besten illustriert durch die Gestalt des Mannes »mit einem Monokel und Schmissen im breiten, roten Gesicht« (S. 24) im Restaurant »Zum Schwarzen Ferkel« in Prag. Kern hat Ruth vor ihrer Rückfahrt nach Wien zum Abschiedsessen eingeladen. Der Mann betrachtet das junge Paar intensiv. Ruth kommentiert sein Äußeres: »Aber das… das erinnert einen…« (S. 24) und sie hält ihn möglicherweise für einen »Agenten der Gestapo«. Die »Angst vor dem Kerl mit dem Monokel« (S. 25) ruiniert ihr Abschiedsessen, aber dann kommt die dramaturgische Wendung, und der Gast erklärt seine mitfühlende Teilnahme:
       Ich bin aus Berlin und fahre in einer Stunde wieder dahin
       zurück. Sie können nicht zurück … Das ist der Grund, wes
    halb ich hier
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