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Liebe deinen Naechsten - und nicht nur Ihn

Liebe deinen Naechsten - und nicht nur Ihn

Titel: Liebe deinen Naechsten - und nicht nur Ihn
Autoren: Cecily von Ziegesar
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anstellte, sich einen süßen Typen zu angeln. Es gab in Manhattan natürlich jede Menge Jungs, aber sie ging auf eine reine Mädchenschule und konnte schließlich schlecht eine Anzeige schalten, dass sie auf der Suche nach der großen Liebe war.
    Ist das Internet nicht eine zeitgemäße Variante der Flaschenpost?
    »Wir können ja nicht alle wie Jack und J.P. sein«, sagte Jiffy achselzuckend. »Aber Beatrice kennt da ein paar echt gute Typen.«
    Avery schüttelte sich innerlich bei der Vorstellung, mit welcher Art von Typen Beatrice sie verkuppeln könnte. Achtzigjährigen? Neunzigjährigen? Nein danke. Sie war vielleicht verzweifelt, aber so verzweifelt dann auch wieder nicht.
    Noch nicht.
    »Kann schon sein«, entgegnete Avery unverbindlich. Sie waren mittlerweile auf der 72. Straße angekommen. »Feier schön! Ruf mich an, wenn dir langweilig ist.« Sie luftküsste Jiffys Wangen und eilte dann, sich tief in ihren hellblauen Caban von Theory kuschelnd, Richtung Fifth Avenue weiter. Vor ihrem Apartmentgebäude angekommen, schob sie sich durch die Drehtür und genoss die Wärme, die sie in der Lobby empfing.
    »Miss Carlyle.« Ihr Lieblingsportier nickte ihr zu und lächelte sie großväterlich an.
    »Hallo, Jim«, erwiderte Avery, während ihre lackledernen Mary Janes von Miu Miu über den polierten Boden klackerten. Die großzügige grün-golden marmorierte Lobby war bereits mit einem kleinen Baum und Stechpalmenzweigen für die Feiertage geschmückt. Ihre erste Weihnachtszeit in New York wollte sie auf keinen Fall allein verbringen. Vielleicht hatte Jiffy recht und sie brauchte tatsächlich ein bisschen Kuppelhilfe, dachte sie, als sie in den Aufzug trat.
    Vielleicht hat der Portier ja einen Sohn …
    »Noch nicht losfahren!«, rief eine männliche Stimme ein paar Schritte entfernt. Avery hielt ihre Hand zwischen die Aufzugtüren.
    »Avery!«
    »Hi!« Sie blickte überrascht zu Remington Wallis auf, dem ein Meter achtundneunzig großen Freund ihrer Mutter. Sein Gesicht war von der Kälte gerötet, und er war mit mehreren Plastiktüten bepackt, aus denen allerlei Grünzeug herausschaute. Mit den grau melierten Haaren hatte er ein bisschen was von George Clooney, auch wenn sein aus Patagonia-Khakihose, rosa Polohemd und schwarzer GoreTex-Jacke bestehendes Outfit eher casual war. Er sah aus, als käme er gerade aus dem Ski-Urlaub in Aspen, aber seinen Einkäufen nach zu urteilen kam er vom Bio-Supermarkt am Union Square. Kein Mensch hätte vermutet, dass sich sein Vermögen auf mehrere Milliarden belief und er von Fortune regelmäßig als einer der reichsten Männer der USA gelistet wurde. Er wirkte eher wie ein netter Vorstadt-Dad.
    »Die Tüte ist gerissen, könntest du das bitte halten, bis wir oben sind?« Remington holte einen länglichen Butternusskürbis aus der Tüte und reichte ihn Avery. »Deine Mutter liebt Kürbis.«
    Avery lächelte gerührt. Andere Upper East Sider würden sich kaum die Mühe machen, ihrer Liebsten den Festtags-Kürbis eigenhändig ins Penthouse zu bringen, aber Edie, die ein selbst gebatiktes Kleid jederzeit einem Designerfummel vorzog, war auch nicht irgendeine Liebste.
    Remington und Edie kannten sich noch aus ihren New Yorker Kindertagen. In der Highschool waren sie ein Paar gewesen, aber nach ihrem Abschluss war Edie nach San Francisco gezogen, um ihrer Lieblingsband Grateful Dead zu folgen, und nach einem Summer of Love, in dem sie mit ein paar Hippiefreunden Hanfschmuck verkaufte, ziemlich schnell mit den Drillingen schwanger geworden. Remington wiederum war in die Fußstapfen seiner Ahnen getreten: Er studierte erst in Yale und machte dann seinen Master in Wirtschaftswissenschaften in Harvard. Anschließend gründete er einen Hedgefonds, wurde Wall-Street-Wunderkind und heiratete eine Tochter aus gutem Hause, von der er sich scheiden ließ, als ihre ständigen außerehelichen Eskapaden in einem öffentlichen Skandal gipfelten. Danach zog er sich aus dem Berufsleben zurück, kümmerte sich um seine Tochter und unterstützte mit seinem Geld Kunstprojekte – je exzentrischer, desto besser. Er und Edie waren sich bei einer Ausstellung in Brooklyn wiederbegegnet, an der sie mit einer ihrer abstrakten chinchillaförmigen Riesenskulpturen mitwirkte.
    »Natürlich.« Avery drückte den Kürbis ein wenig unbeholfen gegen ihre cranberryfarbene Marc-Jacobs-Tasche. Obwohl sie sich noch nicht so ganz daran gewöhnt hatte, dass ihre Mutter sich mit einem Mann traf – es war das erste
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