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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen
Autoren: Horst Biernath
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hohen Steinmauern in starken Krümmungen weiter, so daß man immer nur ein kleines Stück des Weges vor sich sah.
    »Das war hier die Gefahr«, murmelte Lorenz, »daß man keine zwanzig Schritt weit freie Sicht hatte und hinter jeder neuen Biegung des Weges von einer Maschinenpistole umgeblasen werden konnte.«
    »Hier fiel dein Kamerad?« fragte Elisabeth ein wenig abgeschnürt.
    »Nein, ein ganzes Stück weiter oben. Über diese hohen Mauern wäre ich nicht einmal ohne die Verwundung hinübergekommen.«
    Er reichte ihr die Hand und zog sie halb voran. Der Weg wurde immer steiler und unebener. Kopfgroße Steine blinkten aus dem rissigen Lehmboden, der der ausgewaschenen Sohle eines ausgetrockneten Gebirgsbaches ähnelte.
    »Wozu eigentlich diese riesigen Mauern?«
    »Es sind Wärmespeicher für die Limonenspaliere, die es nur hier unten gibt.«
    Tatsächlich brach die Mauer bald ab, und hinter hüfthohen Einfassungen aus Bruchsteinen lagen rechts und links Olivengärten, deren Silberlaub zuweilen durch das kräftige Grün eines Feigenbaumes unterbrochen wurde. Sie standen jetzt hoch über der Straße. Auf dem See zog ein Motorboot eine glänzende Kielfurche nach Castelletto hinüber, und die verwitterten Flachdächer von Gargnano schimmerten in der Farbe rötlichgelber Torfasche herauf. Lorenz blieb ein paar Sekunden lang stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Wohin führt dieser Weg weiter?«
    »Er bricht ab, wenn die Gärten zu Ende sind. Dann kommen Steineichen und Tamariskengebüsch und schließlich kahles Gestein.«
    »Und was suchtet ihr oben?«
    »Schlaf — und zum Schlafen eine Laube oder ein Dach über dem Kopf, denn die Nächte waren noch ziemlich kühl.«
    Zwischen jungen Olivenstämmen, deren weidenartiges Laub das Sonnenlicht fast ungehindert durchsickern ließ, stand, aus grauem Tuffstein roh gefügt und mit zumeist schadhaften Halbröhrenziegeln flach abgedeckt, ein kleines Haus. Aus dem verwitterten Kamin stieg der blaue Rauch eines Rebholzfeuers kerzengerade in die Höhe.
    »Wir sind am Ziel...«, sagte Lorenz leise.
    Elisabeth starrte die Gartenmauer an, als könne sie an ihr noch Spuren jener nächtlichen Szene entdecken, bei der Lorenz verwundet wurde und sein Freund das Leben verlor. Eine grüne Eidechse mit verstümmeltem Schwanz huschte über die durchglühten Steine und verschwand blitzschnell hinter Efeugerank.
    »Das Haus ist bewohnt...«, flüsterte Elisabeth.
    »Ein Mann namens Pietro Cosini hat es nach dem Tode des alten Anselmo erworben«, sagte er und sah sie fragend an, ob sie nun genug gesehen habe und bereit sei umzukehren.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich habe mich beim Podestà von Gargnano vor ein paar Jahren brieflich nach dem Alten erkundigt...«
    Er ging langsam weiter und verhielt zögernd vor einer schmalen Pforte. Ein armdickes Rundholz, das wie ein Schlagbaum zu öffnen war, ersetzte eine längst aus den Angeln gebrochene Tür. Elisabeth hob die Schranke halb empor und sah Lorenz fragend an. In diesem Augenblick schlug im Garten ein Hund an und schoß ihnen kläffend entgegen; ein Hund mit einem dichten schwarzen Pelz, in dessen Stammbaum fraglos ein Spitz eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Und fast gleichzeitig rief eine Frau, die mit einem Haumesser Reisig gehackt hatte, den Hund scharf zurück". Ihre Stimme besaß jenen harten Klang, der an das Dröhnen eines gesprungenen Bronzebleches erinnert und in seiner durchdringenden Lautstärke besonders bei Süditalienerinnen oftmals in einem verblüffenden Gegensatz zu den grazilen Körpern steht. Die Frau trug einen breitkrempigen alten Strohhut und ein verwaschenes Arbeitsgewand. Statt der Schürze hatte sie einen Sack umgebunden, auf dem in roten Buchstaben der Name einer amerikanischen Zuckerfabrik eingestempelt war. Der Hund stand mit gesträubtem Nackenfell zwischen seiner Herrin und den Eindringlingen.
    »Che cosa desidera?« rief die Frau ihnen entgegen, und der Hund kläffte, als wiederhole er ihre Frage, was die Fremden hier zu suchen hätten, kurz und drohend auf.
    »So sag doch endlich etwas!« rief Elisabeth, der die Situation ungemütlich zu werden schien. Aber Lorenz hatte die Sprache verloren. Er sah verstört aus, und auf seiner Oberlippe standen glitzernde Schweißperlen. Die Frau gab dem Hund einen kurzen scharfen Befehl, sich zu trollen, und scheuchte ihn mit einer schleudernden Daumenbewegung hinter das Haus zurück. Er folgte dem Befehl zögernd und beobachtete aus der Entfernung die
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