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Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)

Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)

Titel: Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
Autoren: Lynsay Sands
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tiefes Mitgefühl für Molly Fielding, die zunehmend verzweifelter wirkte. Sie sagte weich: »Vielleicht hätte der Jeremy, den du kanntest, so etwas nie getan. Aber dein Bruder war jahrelang im Krieg, wo er grässliche Dinge mit ansehen musste, die für uns völlig unvorstellbar sind. Es heißt sicher nicht umsonst, dass der Krieg einen Menschen verändert. Vielleicht war der Jeremy, der aus dem Krieg zurückkehrte, nicht mehr dein Jeremy.«
    Ein Schluchzen entrang sich Mollys Lippen, dann sank sie in den Sessel vor dem Schreibtisch und ließ die Hand mit dem Brieföffner schlaff herunterhängen.
    »Was hab ich bloß getan?«, jammerte sie hilflos.
    »Nichts, was sich nicht wiedergutmachen ließe«, versicherte Clarissa und schob sich behutsam um den Schreibtisch herum. Sie blieb abrupt stehen, als das Mädchen bitter auflachte, die Hand mit dem Brieföffner hob und die Spitze an ihre Pulsader hielt.
    »Keinen Schritt weiter, Mylady, sonst …« Sie blickte auf die Klinge in ihrer Hand und sah dann Clarissa an, niedergeschlagen und verzweifelt.
    »Tu jetzt nichts Unüberlegtes, Joan … Molly«, verbesserte sich Clarissa. »Es wird alles gut, vertrau mir.«
    »Sie haben leicht reden. Sie kommen schließlich nicht ins Gefängnis so wie ich.«
    »Du kommst nicht ins Gefängnis«, versicherte Clarissa.
    »Oh doch. Ich hab versucht, Sie umzubringen.« Molly schüttelte betroffen den Kopf. »Und ich weiß, wie es im Gefängnis ist. Eher will ich sterben.«
    »Ich werde dich nicht anzeigen.«
    »Aber … aber ich hab versucht, Sie umzubringen«, wiederholte Molly.
    »Na ja, aber wohl nicht hartnäckig genug. Ich bin immer noch am Leben.«
    Molly schniefte und hob den Kopf, als hätte Clarissa ihr neue Hoffnung gemacht.
    »Stimmt doch, oder?«, versetzte Clarissa. »Ich war die meiste Zeit blind wie ein Maulwurf und hilflos wie ein Baby. Hättest du mir ernsthaft nach dem Leben getrachtet, wäre es ein Klacks für dich gewesen, mich zu töten. Stattdessen hast du dich in deine Arbeit als Zofe gestürzt. Und als meine Zofe warst du unschlagbar gut. Nein, du hättest es gewiss nicht übers Herz gebracht, mir etwas anzutun.«
    »Nein«, räumte Molly seufzend ein. »Ich wollte Ihnen irgendwie wehtun, ich wollte Sie leiden sehen, aber ich konnte anscheinend nicht …« Sie machte eine vielsagende Pause. »Ich fürchte, es ändert wenig, ob Sie mich anzeigen oder nicht. Wenn Sie es nicht tun, tut es Ihr Mann. Es ist nur eine Frage der Zeit. Er will mich gewiss im Gefängnis sehen.«
    Was Molly da sagte, stimmte, erkannte Clarissa düster. Adrian wollte mit Sicherheit, dass Molly bestraft wurde. Ihr Verstand raste, auf der Suche nach einer Lösung. Unvermittelt glitt ein Strahlen über ihr Gesicht, und sie platzte heraus: »Ich hab’s. Amerika.«
    Molly starrte sie entgeistert an. »Amerika?«
    »Was hältst du davon, wenn du auswanderst, hm? Ich kann dir die Schiffspassage nach Amerika bezahlen. Dort könntest du einen Neuanfang wagen, ohne Angst haben zu müssen, dass dich die Geister der Vergangenheit heimsuchen.«
    »Ich kann mir das nicht leisten.«
    »Ich zahl dir die Überfahrt«, erbot sich Clarissa. Sie lehnte sich über den Schreibtisch und kritzelte eine Notiz auf ein Stück Papier. »Und ich geb dir etwas Geld, damit du ein kleines Geschäft aufmachen kannst … oder vielleicht eine Pension.«
    »Warum?«, fragte Molly bestürzt. »Warum sollten Sie …«
    »Weil dein Bruder nicht bloß mich, sondern auch dich hinters Licht geführt hat, Molly. Darunter haben wir beide zehn Jahre lang gelitten. Du noch viel mehr als ich. Außerdem hab ich nicht vergessen, dass du damals auf der Fahrt sehr nett zu mir warst. Du hast mich getröstet und mir versichert, dass alles gut werden würde.«
    Clarissa setzte ihren Namen auf den unteren Rand des Papiers und schob es Molly hin. »Komm. Nimm es. Ich werde veranlassen, dass der Kutscher dich nach London fährt. Dort packst du schnell deine Sachen, löst diesen Scheck bei der Bank ein und nimmst den nächsten Dampfer nach Amerika.«
    Als Molly unschlüssig zögerte, setzte Clarissa nach: »Du kannst in Amerika eine Pension aufmachen und ein neues Leben als unbescholtene Frau führen. Wenn du erfolgreich bist, kannst du mir das Geld ja irgendwann zurückgeben.«
    Das schien sie zu überzeugen. Widerstrebend nahm Molly den Scheck an sich.
    Clarissa nahm ihr lächelnd den Brieföffner weg, bevor Molly es sich anders überlegte, und legte ihn in die Schreibtischschublade. Dann fasste
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