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Liebe auf den letzten Blick

Liebe auf den letzten Blick

Titel: Liebe auf den letzten Blick
Autoren: L Beck
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verleugnen, dass wir hier auf Ottos Trauerfeier sind. Ich spüre einen dicken Kloß im Hals, und meine Augen füllen sich mit Tränen. Nein, jetzt bloß nicht losheulen. Aber die Tränen bahnen sich unaufhaltsam ihren Weg.
    »Entschuldige, Irma, ich muss zur Toilette. Der Schampus«, flüstere ich ihr zu und bin weg, ehe sie mich zurückhalten kann.
    Ich stürze die Treppen runter zu den Toiletten. Schluchzend lehne ich mich gegen eines der Waschbecken. Ich weine um Otto, der nicht wollte, dass wir traurig sind. Um Irma, die ihren Job für ihn aufgegeben hat, und nun vielleicht keinen neuen mehr findet. Und über diese Scheißwechseljahre, die mich heute zum x-ten Mal in Schweiß ausbrechen lassen und obendrein noch zum Heulen bringen …
    »Mathilde?«
    Ein leises Klopfen an der Tür lässt mich zusammenzucken.Das klingt nach Fred. Unmöglich, sage ich mir. Er sitzt doch neben Sophie im Kino und hält ihre Hand. Ich halluziniere.
    »Mathilde, ich bin’s, Fred. Alles in Ordnung?«, dringt seine warme Stimme zu mir.
    Die Tür öffnet sich einen Spalt. Für einen kurzen Moment treffen sich unser Blicke im Spiegel, und ich meine zu sehen, wie er mich beinahe zärtlich ansieht. Quatsch! Die alte Scheune brennt wieder.
    Hektisch drehe ich den Wasserhahn auf, beuge mich über das Becken, um das
Feuer
zu löschen.
    »Geht es dir nicht gut?«, fragt er.
    »Ach, es ist alles so traurig …«, bricht es ungewollt aus mir heraus. »Einfach alles … Otto wird uns nie wieder … Und ich bin …« Ein neuer Weinkrampf unterbricht mein Gestammel. Ich presse mir die Hand auf den Mund, bevor ich ihm in meiner Verzweiflung noch meine Gefühle gestehe.
    »Alles wird gut.«
    Fred macht einen Schritt auf mich zu, als wolle er mich in seine Arme nehmen. Als wüsste er genau, wie mir zumute ist. Als wolle er mich bemitleiden.
    Nur das nicht. Ich fühle mich, als würde jeden Moment mein Herzschlag aussetzen. Abrupt drehe ich mich zum Handtuchspender, ziehe ein Papiertuch heraus und drücke es aufs Gesicht.
    »Hmm«, brumme ich in das Tuch, um in dieser absurden Situation nicht hysterisch zu werden. Endlich bin ich mit dem Mann meiner Sehnsüchte allein. Und wo? Auf dem Damenklo!
    »Lust auf einen Drink?«, fragt Fred unvermittelt.
    Er klingt so gelassen und freundlich, als wäre es völlig normal, mich in einem Tränenmeer auf dem Klo zu treffen.
    Im Spiegel sehe ich, wie er mir die Hand hinstreckt.
    »Nein, danke!«, entgegne ich, seinem Blick ausweichend. »Mach dir keine Sorgen um mich, geh ruhig zurück zu Sophie.«
    Achselzuckend dreht er sich um und verschwindet so plötzlich, wie er gekommen ist.
    Als die Tür hinter ihm zufällt, atme ich tief durch. Wütend knülle ich das Papiertuch zusammen, pfeffere es in den Abfallkorb und betrachte mich im Spiegel.
    Scheußlich!
    Immerhin passt das verheulte Gesicht mit den roten Augen zum roten Kleid. Langsam beruhige ich mich etwas, wühle in der Handtasche nach dem Lippenstift und restauriere mich, so gut es mir möglich ist. Um sicherzugehen, dass Fred wieder im Kinosaal sitzt, nehme ich die Stufen im Schneckentempo.
    Oben angelangt, schrecke ich zusammen. Nicht zu fassen.
    An der kleinen Espressobar lehnt Fred lässig am Tresen, vor ihm ein Eiskübel mit einer Flasche und zwei Gläsern.
    Als er mich sieht, winkt er mir freundlich lächelnd zu, als habe ich seine Einladung angenommen. Was soll das werden? Mir wird mulmig. Will er eine frustrierte alte Frau trösten, als Akt der Nächstenliebe?
    »Magst du keine Ansprachen?«, frage ich ihn. »Oder hast du so großen Durst?«
    »Keines von beiden«, entgegnet er. »Ich möchte …« Er zögert. »Nun ja … mit dir reden!«
    Darauf war ich nicht gefasst. Aber dann begreife ich. »Über Sophie?« Unnötige Frage eigentlich, er wird mich bitten, mit der Rückforderung des Geldes zu warten.
    Irritiert sieht er mir direkt in die Augen. Einen Wimpernschlag später schüttelt er schmunzelnd den Kopf, füllt die Gläser und reicht mir eines. »Auf Otto!« Er hebt sein Glas dem meinen entgegen. »Portwein war leider nicht zu haben.«
    »Hm, Portwein«, murmle ich.
    »Dein Lieblingsgetränk, oder?«
    Sofort wird mir wieder heiß, und mein Gesicht beginnt zu glühen. Hastig stürze ich den Schampus in mich hinein, stelle das Glas auf dem Tresen ab und sage: »Ich höre.«
    »Als Diplomatin wärst du eine Katastrophe.« Ein leichtes Lächeln umspielt seinen Mund. Was bitte findet er so lustig? »Aber wer dich als Freundin hat, muss nichts
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