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Liebe auf den letzten Blick

Liebe auf den letzten Blick

Titel: Liebe auf den letzten Blick
Autoren: L Beck
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berührten sich unsere Hände. Ich war wie elektrisiert, jedoch – wie immer – zu schüchtern, um ihn auch nur anzulächeln. Ich sollte Flirtunterricht bei Amelie nehmen. Doch machen wir uns nichts vor: Eher bricht der Weltfrieden aus, als dass eine Frau über fünfzig noch einen Mann findet. Männer in dem Alter sind entweder schwul oder verheiratet. Und wer sonst noch frei rumschlurft, sucht höchstens eine Krankenschwester. Ich für meinen Teil habe die rosarote Romantikbrilleabgesetzt. Im Grunde braucht eine Frau einen Mann doch nur für zwei Dinge: Geld und Sex. Finanziell bin ich dank der Abfindung versorgt. Und Sex? In meinem Alter praktiziert man höchstens Extremsex – was soviel heißt wie: extrem selten.
    »Also, mein Burzeldach im Oktober wird ganz groß gefeiert«, erklärt Amelie. »Ich lade alle meine Freunde ein, und wir lassen es richtig krachen. Da könnt ihr euch schon drauf freuen.«
    Amelie stammt aus dem fränkischen Bamberg, wo man auf die Welt purzelt, was mir gut gefällt. Sie käme nie auf die Idee, diesen wichtigen Tag ausfallen zu lassen. Ein feucht-fröhlicher Abend mit möglichst vielen Männern – und ihre Welt ist himmelblau wie ihre Augen. Sie gehört zu den Frauen, die in männlicher Gesellschaft aufblühen wie eine ausgetrocknete Topfpflanze, die endlich gegossen wird.
    »Zum dreißigsten Burzeldach,« wiederholt Gustl mit Augenzwinkern, »backe ich dir eine dreistöckige Torte, Mathilde. Für jedes Jahrzehnt eine Etage.«
    »Herzlichen Dank, Gustl. Aber mir ist nicht nach Kuchen. Obwohl ich deine Torten sehr schätze. Sie sind wirklich die besten der Stadt.«
    Die Kreationen unseres WG-Quoten-Manns, eines Konditors im Ruhestand, schmecken so lecker, dass ich mich glatt reinlegen könnte. Doch den eigentlichen Grund verschweige ich. Mein Stoffwechsel hat sich seit der Menopause auf fast null eingependelt. Die Zeiger der Waage mahnen mich zur Zurückhaltung, wenn ich wenigstens die Kleidergröße zweiundvierzig halten möchte. Im Grunde müsste ich mindestens einen Null-Diät-Tag pro Woche einlegen oder meinen Pralinenkonsum drastisch einschränken. Und natürlich den Portwein weglassen.
    »Dann backe ich ein paar Haschkekse. Davon bekommst du auf jeden Fall bessere Laune.« Amelie zieht eine Schnute.
    »Wenn ihr mir unbedingt ein Geburtstagsgeschenk machen wollt«, lenke ich um des lieben Friedens willen ein, »freue ich mich über ein frisch geputztes Bad und ein aufgeräumtes Wohnzimmer. Außerdem stehen im Flur noch Umzugskisten rum. Das nervt. Weiß jemand, wem die gehören?«
    Die Anspielung gilt Irma, die gern verdrängt, wenn sie mit Putzen der Gemeinschaftsräume an der Reihe ist. Laut Abmachung war das gestern der Fall. Im Wohnzimmer sieht es aus, als wären wir heute erst eingezogen. Ganz zu schweigen vom chaotischen Badezimmer.
    »Locker bleiben und keinen Stress, Mathilde«, sagt Irma. »Ich habe es nicht vergessen, falls du das glaubst. Obwohl ich mich noch im Urlaub befinde, bin ich dir zuliebe heute früher aufgestanden, um im Wohnzimmer Staub zu wischen.«
    Verwundert mustere ich sie. »Und im Stehen wieder eingeschlafen?«
    »Nein, ich konnte den Staubwedel nicht finden! Jemand muss ihn geklaut haben.«
    Ungläubiges Schweigen breitet sich aus, in das sich Amelies Glucksen mischt.
    »Hast du wieder
Tomatenkraut
geraucht?«, fragt Gustl mit zweideutigem Grinsen.
    Irma zuckt gelangweilt mit den Schultern. Stumm schiebt sie ihren Teller beiseite und lehnt sich auf der Eckbank zurück. Mit einem zufriedenen Seufzen hält sie ihre Nase in die hereinscheinende Mittagsonne.
    Amelie mustert Gustl neugierig. »Tomatenkraut kann man rauchen? Das wusste ich gar nicht. Meine Mutter hat mit dem Gestrüpp immer die Beete abgedeckt.«
    Wir sehen uns schmunzelnd an.
    »Würde mir bitte mal jemand verraten, wo die Stelle zumLachen ist?« Amelie blickt irritiert in die Runde und klimpert mit den Wimpern. »Gustl!«
    »Na ja …« Gustl schiebt sich ein Stück Brezel in den Mund und nuschelt undeutlich, dass wir eigentlich über ihre Bemerkung lachen würden.
    Sie hebt die Augenbrauen, grübelt einen Moment und fängt dann an zu lachen. »Ach ja, Rauschgift!«
    »Pssst!« Ich bedeute ihr, leise zu sein.
    Der Grund ist Cengiz, unser Hausmeister. Er ist sehr hilfsbereit und sympathisch, aber neugieriger als ein klatschsüchtiges Marktweib und taucht gern wie aus dem Nichts auf, um unschuldig den Kehrbesen zu schwingen, wenn man ihn ertappt. Ich befürchte sogar, dass er für den
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