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Liebe auf den letzten Blick

Liebe auf den letzten Blick

Titel: Liebe auf den letzten Blick
Autoren: L Beck
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Die genaue Rollenverteilung ist unwichtig. Nur der Part des »Familienoberhaupts« geht an mich, da der Mietvertrag auf meinen Namen läuft.
     
    Zwei Stunden später stolpert Amelie mit einer prall gefüllten Plastiktüte im Arm durch die offene Küchentür. Irma und ich sind gerade dabei, das fertig gespülte Geschirr aus der Maschine zu räumen.
    »Huhuuu! Wir sind wieder dahaaa«, trällert sie und streicht sich eine widerspenstige Locke aus dem geröteten Gesicht.
    Sie sieht erhitzt und glücklich aus, fährt es mir durch den Sinn. Als käme sie von einem heimlichen Quickie und nicht vom Großeinkauf im Supermarkt.
    Gustl folgt ihr mit drei vollen Tüten in den Händen. »Na, ihr zwei?«
    »Habt ihr uns was mitgebracht?« Irma lugt neugierig in die Tüte, die Amelie vor uns auf dem Tisch abstellt.
    »Wir sind noch im Baumarkt vorbeigefahren und waren auf dem Friedhof, Susanne besuchen«, antwortet Amelie, als sei Gustls verstorbene Frau ihre beste Freundin gewesen. Dabei hat sie Susanne nie kennengelernt. »Hier!« Sie fischt einen bunten Prospekt aus der Tüte und hält ihn uns entgegen.
    Schmunzelnd greift Irma danach. »Gartenmöbel? Davon werde ich aber nicht abbeißen.«
    »Sei nicht albern«, antwortet Amelie.
    »Ein Vorrecht des Alters«, kontert Irma. »Je oller, je doller! Daran musst du dich gewöhnen, wenn du mit uns alt werden willst.«
    Alt werden!
    Schon wieder dieses frustrierende Thema. Sofort habe ich das Gefühl, wieder eine Falte mehr bekommen zu haben. Amelie scheint das Problem allerdings nicht zu kennen. Selbst aus der Nähe betrachtet sieht sie nicht wie sechzig aus, eher wie fünfzig. Wäre da nicht Gustl, das Objekt ihrer Begierde, würde sie vielleicht gar nicht mit uns in der WG leben wollen. Für ihn hat sie sogar ihr Essverhalten geändert. Früher ließ sie grundsätzlich die Hälfte übrig – von was auch immer. Jetzt verspeist sie alles bis zum letzten Krümel – was auch immer Gustl uns serviert.
    »Liegestühle … Sonnenschirme«, murmelt Irma, während sie im Prospekt blättert.
    Ich blicke Amelie fragend an. »Und was sollen wir damit?«
    »Für die Terrasse«, klärt sie uns begeistert auf. »Dank der hohen Hecken ist der Garten doch nicht von außen einsehbar. Wir können uns nackt sonnen!«
    »Nackt sonnen!?« Meine Stimme überschlägt sich.
    Unser Glückskeks strahlt übers ganze Gesicht, als sei es abgemacht.
    Ich dagegen frage mich, ob ich mir einen entspannten Sommertag in unserer WG so vorgestellt habe. Wir liegen nackt im Liegestuhl, ein Joint geht rum, und wenn wir alle richtig high sind, gibt’s Fleisch vom Grill! Ich hatte ja nie viel mit den Hippies zu tun und habe auch nie in einer Kommune gehaust, aber nach dem, was Amelie und Irma so erzählen, machen Joints ziemlich hungrig.
    Doch Amelie scheint zu vergessen, dass wir nicht in einem Einsiedlerhof leben. Wir wohnen in einem zweistöckigen Gebäude plus Dachgeschosswohnung. Von oben kann man problemlos auf unsere Terrasse blicken. Ganz zu schweigen von Cengiz. Er ist imstande, heimlich Fotos von uns zu schießen und sie dem Vermieter zu schicken. Der Hauseigentümer war sowieso ziemlich skeptisch, als er von unseren WG-Plänen erfuhr. Hat was von Alt-68ern, Hippiesaustall und Drogen gemurmelt und war nur bereit, an uns zu vermieten, wenn wir uns auf einen Dreijahresvertrag einlassen, der bei vorzeitiger Kündigung den Kautionsverfall beinhaltet. Wenn er jetzt noch von
wilden Orgien
erfährt, sieht er seine Vorurteile bestätigt. So schnell könnten wir unsere Schrumpelkörper gar nicht verhüllen, wie uns dann die Kündigung ins Haus flattern würde.

2
    Sechs Uhr zeigen die Ziffern meines digitalen Weckers an. Ich muss zwar nicht mehr ins Büro hetzen, aber meine innere Uhr denkt gar nicht daran, sich umzustellen.
    Mit halb geöffneten Lidern drehe ich das Kopfkissen um und genieße die angenehme Kühle der Unterseite. Wieder einzuschlafen gelingt mir jedoch nicht. Vermutlich hat mich bereits die senile Bettflucht fest im Griff. Senil oder nicht – dabei fällt mir ein, was heute für ein Tag ist.
    Mein Sechzigster!
    Wie auf Kommando kriecht mir eine heftige Hitzewelle über den Körper und steigert sich zum Schweißausbruch, als mir zu allem Übel auch noch einfällt, der Jubiläumsfeier zugestimmt zu haben. Irma hat im Gegenzug versprochen, ihre Umzugskisten wegzuräumen und endlich zu putzen. Amelie ist in die Birkenstocks gestiegen und wollte unbedingt in den Baumarkt sausen, um die Liegestühle zu
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