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Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Titel: Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
Autoren: Jordan Bay
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Geruch auf, von dem sie geglaubt hatte, ihn vergessen zu haben – Landluft und salziger Meereswind. Im Hintergrund krachte die See gegen die Felsen der Küste. Heute, mit den verbesserten Sinnen, wirkte alles intensiver. Die Akkadia starrte auf das in die Jahre gekommene Haus, das einst ihr Heim gewesen war, und fühlte eine schreckliche Sehnsucht in sich hochkommen. Sie war noch nicht bereit, ihren Eltern Lebewohl zu sagen.
    Elín drehte sich zu Ju um, als das Taxi wegfuhr. „Vielleicht verschieben wir das lieber“, stammelte sie und bemerkte, dass ihre Stimme kratzte.
    Er presste die Lippen aufeinander. „Ich würde dir allgemein davon abraten. Aber das ist deine Entscheidung. Lass dir nur einen Rat geben: Wenn du es tun willst, dann heute. Es wird morgen nur schwerer.“
    Die Akkadia vergrub ihre Hände in den Jackentaschen und stieß gegen den Umschlag, dessen Inhalt ihren Eltern von Elíns egoistischem Wunsch danach, sich selbst zu finden und die Welt zu bereisen, erzählte. Der ihnen versprach, dass sie regelmäßig Post bekommen würden und alles bitte immer an die Pinnwand in der Küche heften sollten.
    Elín würde den Umschlag einfach in den Briefkasten werfen. Ganz harmlos. Keine dramatischen Szenen. Keine Heulerei.
    Genau.
    Die Akkadia sah auf und nickte ihm zu. „Bin gleich wieder da.“
    Sie machte kehrt, holte den Brief hervor und trug ihn in zitternden Händen, überquerte die Straße und stieß das kleine Gartentor auf. Im Haus brannte Licht, das hinter dunklen Vorhängen schimmerte. Elín war froh, dass sie nicht hineinsehen konnte.
    Sie richtete ihren Blick starr auf den Briefkasten, öffnete die Luke und hielt den Umschlag hinein.
    Es dauerte. Sekunden verstrichen. Sie konnte nicht loslassen.
    Plötzlich erhellte ein Lichtkegel den Kasten. Stocksteif sah Elín nach links.
    „Mama.“
    Die Sicht auf ihre Mutter im Türrahmen verschwamm sofort. Elín registrierte noch, dass sie den Brief in ihrer Tasche verschwinden ließ. Dann versank ihre Welt in Utopie. Ihre Füße gingen von selbst los.
    Caja Einarsdóttir schlug die Hände vor den Mund und gab einen entsetzlich schmerzhaften Laut von sich, stolperte die Stufen hinunter und fing an zu laufen.
    Elíns Miene verzog sich zu einer bitteren Grimasse. „Mama!“, stieß sie aus und rannte auf ihre Mutter zu, fiel ihr in die Arme und weinte so stark, dass sie glaubte, ihr Herz würde zerspringen.
    Bis vor kurzem hatte sie nicht einmal bemerkt, wie sehr sie ihre Mutter vermisst hatte, und jetzt erschien ihr ein Leben ohne sie vollkommen unwirklich.
    Obwohl Caja kleiner war als sie, fühlte sich Elín in diesem Moment wie ein sechsjähriges Mädchen. Sie hatte ihre Mutter zurück, durfte wieder Kind sein, verlor alle Last, die sich auf ihren Schultern angesammelt hatte. Sie wurde geküsst und gedrückt und es vergingen Minuten, in denen sie sich einfach nur hielten.
    „Ich dachte …“, begann Caja mit dünner Stimme und drückte sie noch fester. „Oh Himmel, ich hatte solche Angst, dich nie wiederzusehen!“
    Elín war unfähig, etwas zu erwidern.
    Ihre Mutter nahm ihr Gesicht in beide Hände und starrte sie aus tränennassen Augen an. „Du siehst so anders aus. So erwachsen. Wo hast du nur gesteckt?! Wir haben so lange nach dir gesucht!“
    „Ich …“ Ihre Stimme versagte, als ihr Vater im Türrahmen erschien und die Stirn runzelte. Seine Gesichtszüge entglitten ihm.
    „Elín!“ Er schüttelte den Kopf und langte nach seiner Brust.
    „Papa.“ Sie wurde von ihrer Mutter mitgezogen. Und es dauerte nur ein Augenzwinkern, bis ihre Vernunft nicht mehr vorhanden war.
    Die Hände ihres Vaters zitterten, als er sie hob. Er legte sie auf Elíns Schultern und sah sie einen Moment lang an, dann zog er seine Tochter in eine feste Umarmung und schluchzte.
    Elíns Mutter holte ein altes Taschentuch aus ihrer Jeans und schnäuzte hinein, schob es zurück und legte ihr die Hände auf den Rücken, vergewisserte sich immer wieder, dass sie echt war. Und die Realität der Akkadia verschwamm, wurde zu einem Abgrund, dessen Ende schwarz und ewig vor ihr klaffte. Sie hätte nie hierher kommen sollen.
    Zehn Minuten später saß Elín mit ihrer Mutter auf der Couch im Wohnzimmer, wurde immer noch gehalten und wusste weder ein noch aus. Was hatte sie sich dabei gedacht? Das machte alles nur noch schlimmer! Sie musste hier raus. Sie musste zurück in ihr wirkliches Leben. Ein Leben, in dem es keine Eltern mehr gab.
    Elín fing erneut an zu weinen und
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