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Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Titel: Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
Autoren: Jordan Bay
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Von der Lederhose war nichts übrig. Jolina schlug ihre zitternden Hände vor den Mund und weinte, wollte Daman berühren und wagte es doch nicht. Das Einzige, was ihr Hoffnung gab, war die schwache Atembewegung in seinem Oberkörper.
    Goran blieb vor ihnen stehen und holte eine Decke aus Damans Rucksack, legte sie über den schwarzen Leib und hob seinen Freund vorsichtig hoch.
    Die Halbgöttin zitterte am ganzen Leib. „Er wird doch wieder –“
    „Wird er!“ Der Alimbû nickte ernst. „Komm. Das Tor bleibt nicht lang geöffnet.“ Er stapfte an ihr vorbei ins Innere der Türme, wo das weiße Licht wartete.
    Jolina schaute wieder nach vorn, in Richtung der Ebene und entdeckte etwas, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    „Mutter!“, hauchte sie ungläubig.
    Die Göttin des Krieges stand in dem Gesteinsdurchbruch zur Ebene und betrachtete ihre Tochter, wobei ‚stehen‘ nicht dem entsprach, was sie tat. Die Göttin stand nicht einfach – sie wallte durch alles, was sich zwischen ihr und ihrer Tochter befand, sie thronte, sie besaß und beherrschte jeden Quadratzentimeter an Atmosphäre. Sie war dieser Ort.
    Und sie war von Zorn erfüllt.
    In den bernsteinfarbenen Augen, die Ishtar ihrer Tochter vererbt hatte, spiegelte sich blanke Wut. Und noch während Jolina beschloss, aufzustehen und so schnell wie möglich durch das Tor zu rennen, hatte die Göttin ohne jegliche Bewegung einen Sturm heraufbeschworen. Ihr weißes Gewand und das goldrote Haar wurden in fürchterliche Unruhe gebracht, während die Sanddünen rechts und links des Tores zu Windhosen heranwuchsen.
    Im nächsten Moment erschien die Göttin genau vor dem Tor. Doch Jolina war bereits ins Licht gelaufen, wo Goran auf sie wartete. Der Sator lag am Boden, gab kaum ein Lebenszeichen von sich. Panisch sah die Halbgöttin zurück. Aber ihre Mutter schien das Tor tatsächlich nicht durchschreiten zu können. Jolina starrte beschämt nach draußen, wo binnen kürzester Zeit die Hölle losgebrochen war. Hinter der makellosen Schönheit Ishtars lag kein Stein mehr auf dem anderen. Doch bis auf den Zorn in ihren Augen konnte Jolina kein Gefühl im Antlitz der Göttin entdecken – keine Angst, keine Trauer, nicht einmal Scham.
    In diesem Moment hätte Ishtar ihr nicht fremder sein können.
    Das Licht nahm überhand und verschluckte alles Dagewesene. Einzig Daman war mit seinem riesigen dunklen Körper noch leicht zu erkennen. Das Innere der Türme begann zu vibrieren. Unsichtbare Mauern erzitterten um sie herum. Die Halbgöttin kniete sich hin, rutschte unter Damans Kopf und streichelte seine Schultern. Hinter ihr zog der Alimbû seine Axt kampfbereit hervor und stierte schon jetzt auf Feinde, die sie nicht sah.
    Der Moment war gekommen. Jolina hatte es geschafft. Die Unterwelt Enûmas wartete nur Augenblicke entfernt.
    „Ich habe dich zur Kehrseite geleitet“, flüsterte der Sator mit schwacher Stimme.
    „Ja. Ja, das hast du!“, hauchte sie und kannte keinen Weg, ihm genug dafür zu danken.
    Daman hustete und öffnete seine silbernen Augen. „Ich habe einen Wunsch frei.“
    Sie lächelte, erleichtert, dass er noch er selbst war. „Ja.“
    „Habe ich?“, fragte er noch einmal nach und seufzte unter Schmerzen auf.
    „Ja, der König der Satoren hat einen Wunsch frei. Ich stehe in deiner Schuld.“
    Er lächelte mit zerschundenen Lippen und schloss die Augenlider. „Dann wähle ich dich zu meiner Königin.“
     

Kapitel 29
     
    Zwei Tage nach der Schlacht von Reykjavík, wie Elín sie ab sofort nennen würde, brachte ein Taxi sie und Ju nach Vík í Mýrdal, den südlichsten Ort der Insel.
    In ihrer Jackentasche befand sich ein Brief. An ihre Eltern. Elín konnte sich damit nicht abfinden, dass sie glaubten, ihre Tochter wäre verschollen, verschleppt, gestorben oder Schlimmeres. Das hatten sie nicht verdient. Keine Eltern der Welt hatten das verdient. Aber ihre ganz besonders nicht. Thanju hatte versucht, ihr zu erklären, dass ein menschlicher Verstand nicht fähig war, Akkadier wahrzunehmen.
    „Aber wenn etwas auf Papier steht, kann nicht mal ein Sterblicher das vergessen“, behauptete sie und hoffte, dass sie Recht behielt.
    Schlimm genug, dass sie Vinkona nicht mehr sehen, geschweige denn reiten konnte. Aber ihre Eltern? Zum Teufel! Sie würde alles versuchen, was in ihrer Macht lag, um sie vor dieser schrecklichen Trauer zu beschützen.
    Schon als sie vor dem Pferdehof ausstiegen, kämpfte Elín mit den Tränen. Sie nahm den
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