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Lichtlos 1 (German Edition)

Lichtlos 1 (German Edition)

Titel: Lichtlos 1 (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
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Veranda.
    Es ist das Dach der Veranda vor dem Haus, unter dem ich mit Ardys gesessen habe. Das ist erst wenige Minuten her, aber es kommt mir vor, als sei eine Stunde vergangen, seit sie mit mir eine Unterhaltung begonnen hat.
    Die Röte der Morgendämmerung hat den Horizont im Osten noch nicht berührt. Im Westen zieht sich der Mond diskret unter die Rundung der Erde zurück, und es scheint fast, als zögen sich auch die Sterne zurück. Sekunde für Sekunde wird die Nacht dunkler und immer noch dunkler.
    Als der von einem Dämon beherrschte Mr. Harmony mit dem Versuch beginnt, die Tür zum Bad einzutreten, überquere ich das schräge Dach und gelange an seinen tiefsten Rand. Ich springe hinunter, lande gute zweieinhalb Meter tiefer auf dem Rasen, ohne mir die Knöchel zu brechen, lasse mich fallen, rolle mich herum und springe auf die Füße.
    Einen Moment lang fühle ich mich wie ein Ausbund an Tollkühnheit, ein verwegener Säbelrassler ohne Säbel. Aufrichtiger Stolz kann jedoch rasch in Eitelkeit und dann in Prahlerei abgleiten, und wenn du dich in der Manier eines Musketiers verbeugst und dabei schwungvoll deinen Hut mit Federstrauß ziehst, dann ist anzunehmen, dass das Beil eines Schurken herabsaust, während du deinen Kopf hebst.
    Ich muss mich schleunigst von dem Haus entfernen, aber wenn ich der schmalen asphaltierten Straße durch die Hügel und die Täler folge, wird das gewiss zu Begegnungen mit besessenen Angehörigen der Familie Harmony führen. Ich habe wesentlich weniger über die Erscheinung in Erfahrung gebracht, als ich wissen muss, aber ich habe zu viel herausgefunden, um am Leben gelassen zu werden. Durch den einen oder anderen Stellvertreter wird sie mich erbarmungslos verfolgen.
    Sie braucht sich dieser Menschen nicht zu bemächtigen, um ihnen ihren Willen aufzuzwingen. Ganz gleich, wie viele Harmonys es geben mag – sechs große Häuser voll von ihnen, bestimmt nicht weniger als dreißig, wahrscheinlich vierzig oder mehr – , der Puppenspieler kann sie alle alarmieren und von ihnen verlangen, meinem Entkommen vorzubeugen. Sie werden ihm gehorchen, aus Furcht, dass er von einem in den anderen schlüpft und sie nach Belieben verunstaltet oder tötet, um auch noch den leisesten Gedanken an eine Rebellion sofort zu bestrafen. Wenn sie einander lieben, wird keiner fliehen und zulassen, dass eine unbekannte Anzahl anderer getötet wird, um den Entkommenen zu rächen. Freiheit um diesen Preis ist überhaupt keine Freiheit, sondern eine endlose Schnellstraße des Schuldbewusstseins, von der es vielleicht keine andere Ausfahrt als den Selbstmord gibt.
    Sie werden mich zur Strecke bringen, und ich werde gemeinsam mit Annamaria fliehen oder sie alle töten müssen. Es ist mir unerträglich, so viele oder auch nur einen von ihnen zu töten. Das zehnschüssige Magazin meiner Pistole enthält nur noch sieben Patronen. Aber die Munitionsknappheit ist nicht das, was mich davon abhält, mir meinen Weg aus dem Winkel freizuschießen. Meine Vergangenheit und meine Zukunft erlegen mir Einschränkungen auf. Mit Vergangenheit meine ich meine Verluste, und mit Zukunft meine ich die Hoffnung darauf, das Verlorene wiederzuerlangen.
    Die Dämmerung ist nur noch Minuten entfernt, und ich kann mir kein sicheres Versteck vorstellen, sobald das Morgenlicht durch die Hügel herabströmt. Ich muss mich verstecken, weil ich Zeit zum Nachdenken brauche. Ehe ich weiß, was ich tue, stelle ich fest, dass ich über den dunklen Rasen zu dem holprigen Trampelpfad renne, der mit zerbrochenen Muschelschalen übersät ist.
    In Ermangelung des Mondes ist das Meer so schwarz wie Öl, und die schäumende Brandung hat jetzt die pilzgraue Farbe von Seifenlauge, in der immer wieder schmutzige Hände gewaschen wurden. Der Strand liegt sternenklar da, und obwohl die galaktischen Wirbel über meinem Kopf so viele Sonnen enthalten, wie irgendein Strand Sandkörner hat, ist dieser Strand so trüb wie stark angelaufenes Silber, denn unsere Erde ist fern; sie dreht sich fern von den Sternen und entfernt sich mit jeder Nacht noch weiter von ihnen.
    Als ich das Ende des ungepflasterten Pfades erreiche, erzeugen die rutschenden Muschelsplitter unter meinen Füßen ein Geräusch wie die verstreuten Münzen eines Piratenschatzes, und plötzlich eilt sie an mir vorbei. Sie muss mir vom Haus aus gefolgt sein. Ohne die Ehre, die ihr der Mond vorhin erwiesen hat, ist die Fahne ihres Haares weniger hell, aber sie ist mit Sicherheit das blonde Kind, auf
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