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Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Titel: Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
Autoren: Alison Sinclair
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mächtigerer Magier – und solch einer schien sie zu sein – war überdies imstande, eigene Gedanken in fremde Köpfe zu pflanzen, anderen seinen Willen aufzudrängen, die Unwilligen in einen Tiefschlaf zu versetzen oder – und bei dieser Erinnerung musste sie unwillkürlich schlucken – unversehrt durch ein brennendes Gebäude zu laufen. Derlei Kräfte waren ein Affront gegen allen Anstand, wirkten zerstörerisch auf die gesellschaftliche Ordnung und stellten sowohl eine Bedrohung für irdische als auch für göttliche Autoritäten dar.
    Das hatte Telmaine durchaus verstanden, und es entsprach obendrein ihrem Glauben und ihrer Einstellung – nichtsdestotrotz besaß sie diese Fähigkeiten und war bereits gezwungen gewesen, sie zu benutzen.
    Sie registrierte eine akustische Veränderung, als der Zug in die Bahnhofshalle einfuhr. Er holperte und polterte, wechselte die Gleise, und Telmaine schwankte sanft hin und her und hielt mit einer Hand das Schreibetui fest, das unter ihren Röcken steckte. Es enthielt Balthasars Briefe, die er für den Fall geschrieben hatte, dass er nicht wieder zurückkehrte. In diesen Briefen nahm er Abschied von ihren Töchtern, seiner Schwester und von dieser lichtgeborenen Frau, Floria Weiße Hand, Telmaines Rivalin auf der anderen Seite des Sonnenaufgangs, Balthasars erster, hoffnungsloser Liebe und bester Freundin seit Kindertagen. Sie wünschte, sie würde es wagen, diesen Brief zu verbrennen … Einem Nachtgeborenen gebot die Höflichkeit, lediglich in dem Maße über Lichtgeborene zu sprechen, wie zwingend erforderlich war, denn immerhin teilten sie mit ihnen Stadt und Land. Doch deren Sitten und Gebräuche waren schockierend, ihre Politik schlichtweg aggressiv, und Gerüchten zufolge wurde selbst der lichtgeborene Hof von Magiern beherrscht.
    Zumindest fand diese Bahnfahrt nun ein Ende. Sie würde Vladimer wohlbehalten im Palast seines Bruders abliefern und ihn jene Vorhaben in die Wege leiten lassen, die er zweifelsohne während dieser wortlosen Reise ausgearbeitet hatte. Er war der Meisterspion, dem es bereits in jungen Jahren gelungen war, das organisierte Verbrechen im Stadthafen derart zu zermalmen, dass es sich davon zu Vladimers Lebzeiten vermutlich nicht mehr erholen würde. Seither schützte er seinen Bruder vor jenen Intrigen, die von den Herzögen und Fürsten des Landes hinterrücks geschmiedet wurden. Unerbittlich und brillant, wie selbst seine Feinde zugeben mussten, magischen Attacken jedoch hilflos ausgeliefert.
    Erneut versicherte sie sich, dass sie nichts weiter zu tun hatte, als eine drohende Gefahr mit ihren Sinnen zu erfassen, Vladimer zu warnen und jeglichen Angriff auf ihn durch einen Magier zu vereiteln. Sicher, ihr mangelte es an Erfahrung, doch Ishmael di Studier war davon überzeugt, dass sie ein wahres Füllhorn an Macht besaß. Und wie sie, Balthasar und Ishmael erst kürzlich unter Beweis gestellt hatten, war selbst ein Magier gegen Kugeln nicht gefeit.
    Ishmael , dachte sie. Im Grunde durfte sie sich nach nur einwöchiger Bekanntschaft derart vertrauliche Gedanken an einen Mann nicht gestatten, der weder ihr Ehemann noch ihr Bruder war und der sich obendrein eines recht zweifelhaften Rufes erfreute. Doch diese Anstandsregel konnte wohl kaum für Ishmael gelten. Für den Mann, der immerhin das Leben ihres Gatten, ihrer Tochter und nicht zuletzt ihr eigenes gerettet hatte. Für den Mann, der, da selbst ein Magier, die Magierin in ihr erkannt und ihre Magie wachgerüttelt hatte, die sie ihr Leben lang so verzweifelt zurückzuhalten bemüht gewesen war. Für den Mann, in den sie sich langsam verliebte, jedoch ohne ihren Ehemann auch nur einen Deut weniger zu lieben. Balthasar und sie konnten sich in diesen befremdlichen und gefährlichen Zeiten keinen besseren Verbündeten wünschen, und Fürst Vladimer und der Erzherzog keinen besseren Diener. Ishmaels Geburtsrecht war das Erbe einer der großen Baronien an der Grenze, wo das zivilisierte Land an jene Regionen stieß, die vor dem achthundert Jahre alten Bannfluch die letzte Hochburg der altertümlichen Magier umgeben hatten. Als Erwachsener hatte er sein ganzes Leben damit verbracht, die plündernden Kreaturen dieser Schattenlande zu vertreiben und zu jagen. Die Vermutung, dass bereits in naher Zukunft Männer und Frauen aus diesem verseuchten Gebiet drängen könnten, um mit ihren durchtriebenen Intrigen maßloses Chaos anzurichten, stammte allerdings nicht von ihm, sondern von Vladimer. Wodurch
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