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Lichterspiele

Lichterspiele

Titel: Lichterspiele
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Und es war nicht allzu weit von London. Die Arbeit begann jedoch erst Anfang März, deswe gen war er nach Frankreich zurückgekehrt, in Paris gelandet und hatte schließlich Emma getroffen. Es begeisterte ihn keineswegs, daß sie so bald nach England heimkehrte, und er setzte alles daran, sie umzustimmen, damit sie ihren Flug verschob und bei ihm in Paris blieb. Doch Emma war unerbittlich.
    „Du verstehst das nicht. Ich muß einfach hin.“
    „Der alte Knabe hat dich ja nicht mal darum gebeten. Du wirst ihm bloß lästig sein und ihn bei seinen Liebesabenteuern stören.“
    „Das hab ich nie gemacht - gestört, meine ich.“ Sie lachte über seinen finsteren Gesichtsausdruck. „Außerdem hat es keinen Sinn, daß ich bleibe, wenn du nächsten Monat wieder nach England kommst.“
    Er verzog das Gesicht. „Ich hab gar keine Lust. Dieses miese kleine Theater in Brookford. Ich werde mich im Dschungel des Vierzehntage-Repertoires verlieren. Außerdem muß ich erst in zwei Wochen dort sein. Wenn du doch nur in Paris bleiben könntest...“
    „Nein, Christo.“
    „Paris im Frühling... blauer Himmel, Blüten und das ganze Drum und Dran?“
    „Es ist noch nicht Frühling. Es ist noch Winter.“
    „Warum mußt du immer so halsstarrig sein?“
    Es half nichts, sie war nicht bereit zu bleiben, und am Ende gab er sich geschlagen. „Na gut, wenn ich dich nicht überreden kann, mir Gesellschaft zu leisten, werde ich mich einfach sehr wohlerzogen und britisch benehmen und dich zum Flugzeug bringen.“
    „Das wäre großartig.“
    „Es ist ein ziemliches Opfer. Ich hasse Abschiede.“
    Hierin war Emma mit ihm einer Meinung. Manchmal hatte sie das Gefühl, als hätte sie ihr Leben lang von Menschen Abschied genommen, und das Geräusch eines Zuges, der aus dem Bahnhof fuhr und sein Tempo beschleunigte, genügte, um sie in Tränen ausbrechen zu lassen. „Aber dieser Abschied ist anders.“
    „Wieso ist er anders?“ wollte er wissen.
    „Es ist kein richtiger Abschied. Es ist ein 'Auf Wiedersehen'. Eine Brücke zwischen zwei Hallos.“
    „Meiner Mutter und deinem Vater wird es nicht passen.“
    „Es spielt keine Rolle, ob es ihnen paßt oder nicht“, sagte Emma. „Wir haben uns wiedergefunden. Das ist im Moment das einzige, was zählt.“
     
    Über ihnen knackten die Lautsprecher und begannen mit weiblicher Stimme zu sprechen.
    „Meine Damen und Herren, erster Aufruf für Air France Flug Nummer 402 nach London...“
    „Das bin ich“, sagte Emma.
    Sie drückten ihre Zigaretten aus, standen auf, begannen das Gepäck einzusammeln. Christopher nahm die Leinentasche, die Prisunic-Papiertüte und den großen bauchigen Korb. Emma warf sich den Regenmantel über die Schultern und ergriff ihre Hand tasche, die Skistiefel und den Hut.
    „Ich wünschte, du würdest den Hut aufsetzen“, sagte Christo pher. „Er würde deinem Auftritt den letzten Pfiff geben.“
    „Er würde wegfliegen. Außerdem sähe es komisch aus.“
    Sie gingen nach unten, überquerten den glänzenden Fußboden bis zur Sperre, wo sich schon eine kleine Passagierschlange bildete. „Emma, fährst du heute noch bis Porthkerris?“
    „Ja, ich nehme den ersten Zug, den ich kriegen kann.“
    „Hast du überhaupt Geld? Ich meine Pfund, Schillinge und Pence?“
    Daran hatte sie nicht gedacht. „Nein. Aber das macht nichts. Ich kann irgendwo einen Scheck einlösen.“
    Sie stellten sich hinter einem englischen Geschäftsmann an, der nur seinen Paß und eine schmale Aktenmappe bei sich trug. Chri stopher beugte sich nach vorn.
    „Oh, Sir, ob Sie uns wohl helfen können?“
    Der Mann drehte sich um und sah zu seiner Verwunderung Christophers Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. Chri stopher hatte eine beeindruckende Unschuldsmiene aufgesetzt. „Verzeihen Sie, aber wir haben ein kleines Problem. Meine Schwester fliegt nach London zurück, sie war sechs Jahre nicht zu Hause, sie hat so viel Handgepäck, und sie ist gerade erst von einer schwe ren Operation genesen...“
    Emma erinnerte sich, daß Ben gesagt hatte, Christopher würde nie Zuflucht zu einer kleinen Lüge nehmen, wenn er mit einer grö ßeren aufwarten könnte. Als sie ihn ansah, wie er dieses unerhörte Märchen vorbrachte, fand sie, daß er seinen Beruf klug gewählt hatte. Er war ein großartiger Schauspieler.
    Der Geschäftsmann konnte denn auch so schnell keine Ausflucht finden.
    „Hm, ja, ich denke...“
    „Das ist furchtbar nett von Ihnen...“ Die Leinentasche und die
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