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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit
Autoren: Kerstin Rachfahl
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eindringen lässt, wie früher, wenn du dich mit einem Schutzschild umgeben hast, nur um ein Vielfaches stärker.«
    »Mein Amulett«, flüsterte sie leise.
    Er seufzte. »Ja, daran habe ich auch schon gedacht, dass es dein Amulett ist, das diesen Schutzschild aufrechterhält. Ich kann es dir nicht abnehmen. Es ist ebenfalls mit einer Hülle abgeschirmt, die ich weder mit körperlicher Kraft noch mit meiner Energie zu durchdringen vermag.« Er hob seine Hände, die mehrere rote Male aufwiesen.
    Levarda schloss die Augen. Alles erschien so anstrengend. Er streichelte ihr Gesicht und sie ließ es geschehen. Ihre Sinne tasteten nach dem Leben in ihr. Es war wieder gewachsen, nicht nur größer geworden, sondern hatte fast die Form eines kleinen Menschen. Das Herz pochte flink.
    Levardas Hand legte sich auf ihren Unterleib. Otis bedeckte sie mit seiner.
    »Ich bin schwanger«, sprach sie leise.
    »Ich weiß. Ich weiß es seit der Nacht, bevor ich dich einem Verräter anvertraute.«
    »Lord Eduardo.«
    »Er ist tot«, erwiderte er kalt.
    Sie brauchte all ihren Willen, um ihre Augen erneut zu öffnen. »Lady Eluis?«
    »Sie starb in der Nacht, als ich merkte, dass Lord Eduardo mich ausgetrickst hatte. Ich musste ihr an ihrem Totenbett versprechen, dass ich ihm einen leichten Tod schenke, was ich heute zutiefst bereue. Aber ich habe mein Wort gehalten.«
    Levarda atmete auf.
    Es klopfte und ein Mädchen brachte ein Tablett herein.
    Sie sah auf das Fleisch und das Brot.
    Otis lächelte mitfühlend. »Tut mir leid mein Mondlicht, das ist für mich. Ich fürchte, du musst dich heute mit der Suppe begnügen. – Du kannst gehen.«
    Die Magd knickste, warf Otis zuvor aber noch einen Blick tiefer Bewunderung zu. Ein weiterer Mensch, der ihren Gemahl auf einen Sockel stellte.
    Er nahm die Schüssel und den Löffel und begann, sie zu füttern. Gehorsam wie ein Kind bemühte sich Levarda, ihren Mund zu kontrollieren und schluckte alles herunter, was ihr Otis einflößte. Erst als sie aufgegessen hatte, nahm er sich seinen Teller und aß.
    Es klopfte, und einer von Otis‘ Soldaten trat vor. »Verzeiht, Lord Otis, dass ich Euch störe, der hohe Lord fragt, ob Ihr heute noch einmal zu ihm kommen könnt.«
    »Nein, ich bleibe bei meiner Frau.«
    Levarda schüttelte mühsam den Kopf. »Geh nur, ich bin sowieso müde und ich verspreche, nicht wegzulaufen.«
    Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Bist du sicher?«
    Sie nickte.
    Er stand auf und küsste ihre Stirn, als wage er es nicht, ihre Lippen zu berühren.
    Levarda sah ihm nach.
     
    Mit jedem Tag schaffte sie es länger wach zu bleiben. Nach zwei Tagen zwang sie sich, ihre Suppe selber zu löffeln. Erbarmungslos forderte sie sich bis an ihre körperlichen Grenzen. Stück für Stück erweiterten sich diese. Um ihre Brust, dort, wo die Klinge von Prinz Tarkan eingedrungen war, lag eine Bandage, die die Heilkräuter auf der Wunde hielt. Adrijana erzählte, dass Otis den Verband zunächst täglich gewechselt hatte. Von ihr erfuhr sie auch, dass er Tag für Tag an ihrer Seite gesessen und sie Löffel für Löffel mit Wasser und Suppe gefüttert hatte. Jetzt verstand sie, warum die Magd ihn nach ihrem Aufwachen so bewundernd angesehen hatte. Ein Mann aus Forran, der seine Frau pflegte.
    Levarda trank Krüge von Wasser. Ihren ersten Sieg feierte sie, als sie es allein den Gang hinunterschaffte, um ihre Notdurft zu verrichten. Die Tage zuvor hatten ihr entweder Otis oder Adrijana helfen müssen. Ihre Gefühllosigkeit änderte sich nicht.
    Sendad besuchte sie, Egris mit Celina, Lady Smira schaute vorbei, deren Bauch sich langsam rundete.
    Levarda fragte nach Agilus. »Darf ich ihn sehen?«
    »Ruht Euch erst mal aus, er ist recht anstrengend geworden«, antwortete Lady Smira ausweichend. »Wenn es Euch besser geht, könnt Ihr ihn sehen.«
    Mit dem Stich, den diese Worte ihrem Herzen gaben, bemerkte sie zuerst die Veränderung, die in der Umgebung ihr gegenüber stattfand. Sie lauschte auf die verhaltenen Stimmen vor ihrer Tür. Man flüsterte, man diskutierte und stritt. Levarda brauchte die Worte nicht zu hören, um zu verstehen, worum es ging.
    Sie war nicht sie selbst. Sie war lebendig und doch tot. Das machte den Menschen um sie herum Angst, genau wie ihr. Sie konnte Lady Smira nicht verdenken, dass sie sich weigerte, ihr Agilus zu geben.
    Am häufigsten stritten sich Sendad und Otis. Sendad gemahnte ihren Gemahl immer wieder zur Geduld, während Otis überlegte, was er
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