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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit
Autoren: Kerstin Rachfahl
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berühren. Alles musste ihr Schmerzen verursachen. Zehn Tage, nicht länger hatte Prinz Tarkan sie in seiner Gewalt gehabt. Wie konnte man in zehn Tagen einer Frau so viel Leid zufügen? Und sie hatte diesem Abschaum verziehen.
     
    Er nahm Levardas leblose Hand, konnte nichts fühlen, keine Wärme, keinen Puls, keinen Herzschlag und nicht die winzigste Spur einer Energie. Otis legte seine feuchte Wange auf ihren Handrücken. Wie sollte er jemals ohne ihre Liebe existieren? Wenn sie ihren Körper dem Feuer übergaben, würde er mit ihr gehen. Ein Leben ohne sie hatte keinen Sinn mehr. Alles in ihm sehnte sich nach ihr.
    Sendad trat in das Zelt, Otis brauchte seine Augen nicht zu öffnen, um ihn zu erkennen. Er hatte ihm erklären müssen, dass Bihrok nicht sein Vater, sondern seine Mutter gewesen war, die Mutter von Prinz Tarkan und seine eigene Großmutter. Somit war Sendad sein Onkel und Halbbruder des Eldemarer Prinzen. Sein Offizier verkraftete die Erkenntnis über seine Herkunft mit erstaunlichem Gleichmut.
    »Otis, du musst eine Entscheidung treffen.«
    »Ich kann sie nicht gehen lassen.«
    »Du hast mir gesagt, dass Prinz Tarkan der Sohn deiner Großmutter –«, er stockte, »meiner Mutter ist. Ihr Blut floss auch durch ihn.«
    Otis schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht tot. Sie darf nicht tot sein.«
    »Otis, uns allen fällt es schwer, sie gehen zu lassen. Ihr Lachen, das Leuchten in ihren Augen, die Wärme, die sie jedem gab, egal ob Feind oder Freund – wie sie den Kopf neigte, wenn sie nachdachte oder sich im Spiel mit Agilus völlig vergaß. Doch am meisten werde ich vermissen, dass sie mir zuhört – beim Reden und beim Schweigen.« Die Worte kamen leise, aber ungehemmt aus Sendad hervor.
    Otis stöhnte gequält auf. »Wie soll ich ohne sie weiterleben?«
    »Wir brauchen dich für den Frieden, Otis. Forran braucht dich. Gregorius braucht dich und Agilus. Lebe für uns weiter.«
    »Sie hat Hunderten mit dem heilenden Regen das Leben gerettet und machte dabei keinen Unterschied zwischen Eldemarern und Forranern«, sagte Otis leise. »Sie hat ihm Vergebung angeboten für all seine Taten und er hat sie einfach getötet.«
    Das erste Mal, seit sie aufgebahrt in seinem Zelt lag, sprach er das Wort aus. Er hörte, wie Sendad ausatmete, und dachte daran, wie Levarda um Sendad gekämpft, sein Leben in ihren Händen gehalten hatte. Niemals wäre es ihr in den Sinn gekommen, einfach aufzugeben. Seine eigenen Worte klangen in seinen Ohren nach Verrat. Oh, Lishar, ich habe geschworen, dass ich sie beschützen werde. Kein Leid sollte ihr geschehen. Ich habe dir mein Leben dafür angeboten. Warum hast du nicht meines genommen? Sie trägt ein neues Leben in sich, eine Tochter, so wie ich es dir bei meiner Hochzeit versprach. Warum hast du sie nicht beschützt?
    Er schluchzte auf, legte ihre Handfläche auf seine Wange.
    Sendad zog sich aus dem Zelt zurück.
    Alle seine Männer, alle seiner Offiziere, aber vor allem die, die Levarda von Anfang an begleitet hatten, versuchten ihren eigenen Kummer vor ihm zu verbergen. Dennoch sah er es, spürte es, und als er Timbor beim Weinen ertappte, empfand er Wut. Wo sollte er seine Kraft hernehmen, wenn nicht von ihnen? Er war immer ihr Anführer gewesen, klar in seinen Befehlen, weise in seinen Entscheidungen, und er hatte für alles einen Ausweg gefunden. Aber diesmal gab es keinen Weg, nur ein Ende. Sie war seine Hoffnung gewesen, sein Schicksal, sein Leben und seine Liebe. Er war ein Teil von ihr und sie ein Teil von ihm. Jetzt, da er wusste, wie sich Vollkommenheit anfühlte, konnte er mit weniger nicht mehr leben. Er erinnerte sich an jeden Augenblick mit ihr.
     
    Das erste Mal hatte er sie gesehen, als sie mit Sita auf den Hof von Lord Blourred gefegt kam. Er spürte ihre Energie, die wie ein frischer Wind durch die Stallungen blies, die seinen Kopf leicht machte und ihn seine Sorgen vergessen ließ. Er folgte diesem Wesen, sah, wie sie verhinderte, dass Umbra verletzt wurde. In diesem Moment hatte er entschieden, dass er nicht ohne sie zurückreiten würde. Dem Fest, sonst eine lästige Pflicht, fieberte er damals entgegen – und dann ihr Schock, ihre Abscheu, als sie ihn das erste Mal ansah. Hätte sie ihm ein Messer in die Brust gestoßen, es wäre nicht schmerzhafter gewesen. Nach und nach kam die Erkenntnis, dass sie das Schicksal von Lady Smira teilte. Zwischen unbändiger Freude und Verzweiflung darüber, dass er sie eines Tages würde töten müssen, hatte er
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