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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit
Autoren: Kerstin Rachfahl
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jeden weiteren Kontakt mit ihr vermieden. Von seiner Großmutter wusste er, dass irgendwo in den Wäldern die Grenze von Mintra sein musste. Bei seiner Suche begegnete er ihr im Wald.
    Alles war noch so klar in seinem Gedächtnis: der Moment, als er dachte, er hätte sie getötet, ihr offener Blick, der Mut, mit dem sie ihm begegnete. Er hatte sie laufen lassen, folgte lieber der Stute, in deren Brand er das Zeichen von Mintra erkannt hatte. Das Pferd verschwand, und egal, wie sehr er sich bemühte, er konnte keine Spuren und kein Energiesignal mehr fühlen, bis die Stute urplötzlich aus dem Nichts vor ihm auftauchte. Gesattelt, mit Zaumzeug, Pfeilen und einem Bogen am Sattel versehen. Auf einem der Pfeile steckte der Zettel.
    Mann des Feuers aus Forran , hatte er gelesen, schütze unsere Tochter und gib ihr die Freiheit, zu entscheiden .
    Das hatte er seit jenem Tag getan, egal wie schwer sie es ihm mit ihrer Uneinsichtigkeit für das Richtige machte. Er fühlte sich verpflichtet und wollte es im Grunde selbst nicht anders. Welche Kräfte Levarda in sich barg, verstand er erst, als sie Sendad heilte. Sie war anders als jeder Mensch der Elemente, der jemals zuvor seinen Weg gekreuzt hatte, ihr Innerstes pures Licht und tiefe Liebe für alles, was sie umgab, die Quelle in ihrem Leib reine klare Energie. Er hatte die Dunkelheit in ihr Leben gebracht, als sie sich durch den Angriff der Räuber gezwungen sah, Menschen zu Lady Smiras Verteidigung zu töten. Dabei wäre das seine Aufgabe gewesen. Bereits damals hatte er versagt und sie nicht beschützt.
     
    »Sie sieht aus, als würde sie jeden Augenblick die Augen aufschlagen und über unsere Trübsal spotten.«
    Lemar trat leise zu ihm, der einzige von all seinen Offizieren, der seinen Schmerz verstand. Auch er hatte die Liebe seines Lebens an den Tod verloren. Zum ersten Mal begriff Otis den Mut seines Freundes. Er wusste nicht, ob er genauso mutig sein konnte.
    »Sendad sagte, du habest dich einverstanden erklärt, dass wir sie verbrennen.« Lemar brach ab, wischte sich mit der Hand durch das Gesicht. Leise trat er auf Levardas andere Seite. Er streckte die Finger aus, berührte ihr Haar, das Otis so lange gebürstet hatte, bis es glänzend um ihren Kopf lag. Die Heilsteine um ihren Hals und ihr Amulett leuchteten matt. Die Dunkelheit in dem Zelt, nur leicht erhellt vom warmen Kerzenlicht, verbarg die Spuren der Gewalt in ihrem Gesicht. Otis strich mit den Fingern über die tiefen, blutigen Spuren der Lederriemen, getrocknet und mit einer Kruste versehen, mehr nicht.
    »Kannst du nichts fühlen?«, seufzte Lemar.
    Otis schüttelte den Kopf.
    »Kann es nicht sein, dass nur ihr Geist unterwegs ist?«
    Erneut schüttelte Otis den Kopf. Insgeheim hatte er den gleichen Gedanken gehegt. Eine furchtbare Vorstellung, dass ihre Seele in der Dunkelheit voller Verzweiflung nach dem Leib suchte wie damals am See. Überall war er umhergestreift in den Stunden, da er sich aufraffen konnte, ihre Seite zu verlassen. Er hatte nach ihrem Energiemuster gesucht und nichts gefunden.
    »Nein, so lange würde auch ihr Körper ohne den Geist nicht überstehen können.«
    »Sie hat nie getan, was du wolltest«, widersprach Lemar mit einem Lächeln. »Sie hat es dir nie einfach gemacht.«
    Nein. Nur einmal auf der Reise hatte sie sich für ihn geöffnet, sich weinend in seine Arme geworfen, nachdem ihr Geist von der Dunkelheit umzingelt worden war und er sie mit seinem Feuer rettete. Von ihren überstürmenden Gefühlen völlig gelähmt, hatte er keine Ahnung gehabt, was er machen sollte. Sein Bedürfnis mühsam unter Kontrolle haltend, sie in die Arme zu reißen, sie mit Küssen zu überdecken, ließ er den Moment verstreichen, ohne sie tröstend an sich zu drücken. Nein, damals hätte er nicht die Kraft aufgebracht, ihr zu widerstehen. Sie war für ihn eine ständige Verführung gewesen, das Licht, welches seit dieser Nacht in ihr leuchtete, ein Signal, das ihn anzog, um ihn zu verbrennen. Ob sie sich in dem Kleid seiner Großmutter in seinem Schlafraum drehte, dabei seine Gegenwart völlig vergaß, oder im Gegenteil ihm Bilder in den Kopf malte, wie sie nackt unter ihm im Bett lag. Jeder Moment in ihrer Nähe hatte ihm seine komplette Selbstbeherrschung abverlangt.
    In den einsamen Nächten konnte er sie wie in der Vision neben sich fühlen. Dieses Bild quälte ihn und er verwendete es, als sie ihn um seine lebenspendenden Säfte bat. Er war bemüht, eine Distanz zu ihr zu wahren, doch
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