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Licht

Titel: Licht
Autoren: M. John Harrison
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gestellt.
    »Sie sind nicht von meiner Art«, sagte sie.
    »Es sind Menschen.«
    Sie quittierte dieses Argument mit dem Schweigen, das es verdiente, und sagte dann: »Wo ist das Geld?«
    »Ah, das Geld. Wo es immer ist.«
    »Ich will keine lokale Währung.«
    »Wir benutzen fast nie lokale Währungen«, sagte das Double des Kommandanten, »auch wenn wir manchmal Geschäfte darin machen.« Seine größeren Gelenke traten in Erscheinung, um irgendwelche Gase abzulassen. »Bist du wieder kampfbereit? Am Strand, vierzig Lichtjahre von hier, hätten wir mehrere Missionen im Angebot. Du müsstest es mit Kriegsschiffen aufnehmen. Die Einsätze wären Teil des Krieges, nicht solche Versteckspielchen mit Zivilisten.«
    »Oh, euer Krieg«, sagte sie wegwerfend. Fünfzig Kriege, große und kleine, wurden allein hier draußen in Sichtweite des Kefahuchi-Trakts geführt; doch es gab nur einen Kampf, den Kampf um die Überreste. Sie hatte sie noch nie gefragt, wer ihr Feind war. Sie wollte es nicht wissen. Die Nastischen waren fremd genug. Im Allgemeinen war es unmöglich, die Motive von Aliens zu verstehen. ›Motive‹, dachte sie angesichts des Konglomerats aus Beinen und Augen, das vor ihr hockte, ›Motive sind eine Sache des Sinnesapparats. Motive sind eine Sache der Umwelt. Die Katze hat ein Problem, sich die Motive der Hausfliege in ihrem Mund vorzustellen.‹ Sie dachte darüber nach. ›Die Hausfliege hat ein größeres Problem‹, entschied sie.
    »Ich habe, was ich will«, erklärte sie dem Double des Kommandanten. »Ich will nicht mehr für euch kämpfen.«
    »Und wenn wir das Angebot erhöhen?«
    »Das wäre zwecklos.«
    »Wir könnten dich zwingen.«
    Seria Maú lachte.
    »Ich bin schneller hier weg als dein Schiff denken kann. Wie willst du mich finden? Das ist ein K-Schiff.«
    Der Kommandant ließ eine wohl kalkulierte Pause verstreichen.
    »Wir wissen, wo du hin willst.«
    Diese Bemerkung erzeugte bei Seria Maú ein Gefühl von Kälte, es währte aber nur den Bruchteil einer Sekunde. Sie hatte bekommen, was sie von den Nastischen gewollt hatte. Sollen sie tun, was sie nicht lassen können. Sie unterbrach den Kontakt und betrat den mathematischen Raum der White Cat.
    »Schau her!«, wurde sie von der Mathematik empfangen. »Wir können dahin. Oder dahin. Oder dahin. Wir können egal wohin. Lass uns einfach irgendwohin gehen!«
    Alles lief genauso, wie sie es vorausgesagt hatte. Ehe das nastische Schiff reagieren konnte, hatte Seria Maú sich ihrer Mathematik und diese sich irgendeiner Realitätsdoublette bedient und die White Cat war aus diesem Raumsektor verschwunden, nichts als einen sich verlierenden Wirbel aus geladenen Teilchen hinterlassend. »Siehst du wohl?«, sagte Seria Maú. Ab jetzt war es die übliche, langweilige Reise. Die mächtigen Arrays der White Cat – Antennen, die eine Astronomische Einheit lang waren, fraktal zusammengefaltet auf anderthalb Dimensionen und in einem nur mehr zwanzig Meter langen Laminat auf der äußeren Hülle untergebracht – entdeckten nichts weiter als das Flüstern von Photinos. Ein paar Schattenoperatoren sammelten sich piepsend und fuchtelnd an den Bullaugen und starrten in das Dynaflow hinaus, als hätten sie dort etwas verloren. Vielleicht hatten sie das ja. »In diesem Augenblick«, verkündete die Mathematik, »bin ich dabei, die Schrödinger-Gleichung für jeden Punkt auf einem Gitter von zehn räumlichen und vier zeitlichen Dimensionen zu lösen. Das kann nur ich.«

 
3
     
New Venusport, 2400 A.D.
     
    In der Pierpoint Street betrieb Tig Vesicle eine Tankfarm.
    Er war der typische Neue Mensch, groß, blass und mit dem charakteristischen orangeroten Haarschopf, wodurch die Vertreter seiner Gattung so aussahen, als fühlten sie sich unentwegt vom Leben überrascht. Die Tankfarm lag zu hoch in der Pierpoint Street, um viel abzuwerfen. Sie lag in den hohen Siebenhundertern, wo das Bankenviertel in Bekleidung, Schneidereien und billige Chopshop-Unternehmen (* (Zwielichtige) Unternehmen, die irgendwelche komplexen Produkte ausschlachten.) überging, die veraltete Cultivare (* (Das) Cultivar = Kurzform für cultivated variety = gezüchtete Art.) und lebendige Tattoos verhökerten.
    Und das hieß: Vesicle musste noch andere Eisen im Feuer haben.
    Er kassierte Mieten für die Cray-Schwestern. Er fungierte gelegentlich als Mittelsmann bei so genannten ›Off-World-Importen‹, bei denen es um Waren und Dienstleistungen ging, die von der Earth Military Contracts Inc.
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