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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle
Autoren: Apostoloff
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Auf
der linken Seite standen unsere Limousinen bereit, nur die Schmuckdeckelwagen
fehlten. Statt dessen wartete am Straßenrand ein Trauergerüst auf Rädern mit
schwarzem Baldachin, um und um mit Troddeln behängt, Baldachin, der von vier
blumenumwundenen Säulen getragen wurde.
    Aus
einem Seiteneingang der Kirche sah man nun, angeführt von einem Popen, unsere
behandschuhten Chauffeure kommen, in einer Reihe; die Totenkisten trugen sie
mit gebührender Vorsicht in Händen und setzten sie auf dem Trauergefährt
nieder. Wer von ihnen das teure Gut abgeliefert hatte, ging auf gleichem Wege
zurück, um ein neues zu holen.
    Dann
die erste Kalamität. Beim Anblick der Pferde war Tabakoff bleich geworden. Sie
stimmten nicht! Tabakoff hatte Rappen bestellt. Schwarze, glänzende,
mustergültige Pferdeschönheiten hatte er gewollt, bekommen hatte er einen
dürren Braunen mit drei Schweifhaaren und einen kleinen Grauschimmel.
    Auf
offener Straße, umringt von lauter neugierigen Menschen, die den großen
Amerika-Bulgaren anschauen gekommen waren, konnte sich Tabakoff keinen
Ausbruch leisten. Aber er war außer sich, man sah es ihm an.
    Ich
fand den Grauschimmel hübsch. Zugegeben, er war ein bisschen klein geraten,
aber seine Proportionen waren tadellos. In munterer Erwartung schüttelte er den
Kopf. Mitten im Satz musste ich aufhören, das Schimmelchen zu loben. Tabakoff
sah mich bohrend an und wandte sich weg. Komisch an den Pferden wirkten ihre
Federbüsche. Sie sahen aus wie eine Gemüsedekoration, die man in schwarzen
Lack getaucht hat.
    Wir
stiegen in die Limousinen. In die erste setzte sich Tabakoff mit drei
Priestern, die etwas Mühe hatten, ihre üppigen Gewänder beim Einsteigen sicher
unterzubringen. Bei uns hatte sich die ursprüngliche Ordnung wiederhergestellt,
wir Schwestern und die Zankoff-Brüder waren vereint. Allerdings hatten wir
Rumen als neuen Gast in unserer Mitte. Im Schrittempo setzte sich die Kolonne
in Bewegung und fuhr dem pferdegezogenen Baldachinwagen hinterher.
    Stadtauswärts
ging's, hinaus zum Zentralfriedhof, auf dem Boulevard Maria Luisa, entlang der
Straßenbahnlinie. Wir fuhren auf den Gleisen. Nicht allein wegen der Pferde
ging es langsam voran. Immer wieder bildete sich ein Stau. Fußgänger
überquerten in Scharen die Straße und sahen neugierig zu den Fenstern herein,
ohne etwas zu erkennen. Es war bestimmt nicht der Triumphzug, wie ihn Tabakoff
sich ausgemalt hatte, es war ein Chaos. Weil es gar zu lahm vorwärtsging,
stiegen einige von uns aus und liefen nebenher. Eine Zeitlang fuhr eine
Straßenbahn den Pferden voraus, was eine interessante neue Kolonne ergab. Auf
der Löwenbrücke kamen wir zügiger voran, alle stiegen wieder ein, die Pferde
legten an Geschwindigkeit zu. Dann bogen wir links ab und hatten von da an bis
zum Friedhof freie Fahrt.
    Marco,
der in einem riesigen schwarzen Anzug steckte und darin wie ein Magnat aussah,
den eine Schar Diener dickgefüttert hat, ließ die Scheibe hinuntergleiten und
winkte den Leuten auf der Straße zu. Sommerluft vermischt mit Abgasen wehte
herein.
    So
was Schönes, murmelte er. Wenn des die Mutti sehen könnt'!
    Wolfi
verzog wie üblich keine Miene, sondern goss sich einen Whiskey ein und entnahm
der Kühlurne einen Eiswürfel, und zwar vorbildlich, mit Hilfe der am Henkel
des Behälters hängenden Zange.
    Noch
wer?
    Ich
könnte auch einen gebrauchen, sagte meine Schwester und ließ sich von Wolfi
bedienen.
    Neulich
habe ich einen Film über Blattfetzenfische gesehen, sagte Wolfi. Sahen aus wie
durchlöchert und irgendwie zerkrümelt. Die ganze Zeit während der Messe dachte
ich, da sind lauter Blattfetzenfische drin.
    Ich
liebe Blattfetzenfische, sagte ich.
    Meine
Schwester lachte so heftig, dass sie fast ihren Whiskey ausspuckte. Fiel mir
schwer, während der Messe überhaupt an was zu denken, sagte sie, als sie sich
wieder gefangen hatte. An Blattfetzenfische bestimmt nicht.
    Rumen
lächelte verlegen.
    Da
waren wir angekommen und konnten das Thema nicht weiterverfolgen.
    Die
Luft war wie Glas, blaues, flüssiges Glas. Ein erstklassiges Friedhofswetter.
Die Pferde brachten den Baldachinwagen, dessen Aufbau wegen der Unebenheit des
Weges gefährlich schwankte, sicher durchs Tor, wobei der kleine Graue immer
munter mit dem Köpfchen nickte. Allerdings hatte sich ein Teil seines
Kopfbüschels gelöst und hing an der rechten Seite herunter.
    Grün,
grün, grün, wohin man blickte. Der Friedhof war offenbar ein Dschungel; schwer
zu
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