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Lewis, Michael

Lewis, Michael

Titel: Lewis, Michael
Autoren: The Big Short
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die
US-Notenbank zu dem schockierenden, beispiellosen Schritt, den Banken faule Subprime-Hypothekenanleihen
unmittelbar abzukaufen. Bis Anfang 2009 wurden also die Risiken und Verluste,
die mit notleidenden Investitionen im Wert von über einer Billiarde US-Dollar
einhergingen, von großen Wall-Street-Unternehmen auf den amerikanischen
Steuerzahler abgewälzt. Henry Paulson und Timothy Geithner erklärten beide,
das Chaos und die Panik nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers hätten
bewiesen, dass das System den chaotischen Zusammenbruch eines weiteren großen
Finanzunternehmens nicht verkraften könne. Zudem behaupteten sie, allerdings
erst Monate später, ihnen habe die rechtliche Handhabe gefehlt, gigantische
Finanzunternehmen geordnet abzuwickeln - also den Betrieb einer bankrotten
Bank einzustellen. Doch selbst ein Jahr danach hatten sie noch sehr wenig
unternommen, sich diese Macht zu verschaffen. Das war merkwürdig, da sie
offensichtlich ansonsten nicht gerade schüchtern in ihren Machtansprüchen
waren.
    Sehr
bald etikettierten nicht nur führende Vertreter der Finanzwirtschaft, sondern
auch das US-Finanzministerium und die Notenbank die Ereignisse des Jahres 2008
an der Wall Street um in eine »Vertrauenskrise«, ein simple, altmodische
Finanzpanik, ausgelöst durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers. Im August
2009 behauptete der Präsident von Goldman Sachs, Gary Cohen, sogar öffentlich,
sein Unternehmen habe niemals staatliche Hilfe gebraucht, da es stark genug
gewesen sei, jede vorübergehende Panik zu überstehen. Es besteht jedoch ein
Unterschied zwischen einer altmodischen Panik und dem, was 2008 an der Wall
Street geschah. Bei einer herkömmlichen Panik schafft die Wahrnehmung sich ihre
eigene Realität: Jemand ruft in einem voll besetzten Theater: »Feuer!«, und das
Publikum drängt zu den Ausgängen und quetscht sich tot. An der Wall Street
überwältigte die Realität dagegen die Wahrnehmung: Ein voll besetztes Theater
brannte nieder, während noch viele Zuschauer auf ihren Plätzen saßen. Jedes
größere Finanzunternehmen der Wall Street war entweder bankrott oder bedrohlich
mit einem bankrotten System verflochten. Das Problem war nicht, dass man
Lehman Brothers hatte zusammenbrechen lassen. Das Problem war, dass man Lehman
Brothers hatte gewähren lassen.
    Dieses
neue Regime - kostenloses Geld für Kapitalisten, freie Märkte für alle anderen
- und die Tatsache, dass die Finanzgeschichte mehr oder weniger unmittelbar
umgeschrieben wurde, ärgerte alle möglichen Leute, aber nur wenige so
leidenschaftlich wie Steve Eisman. Die mächtigsten und bestbezahlten
Finanzleute der Welt hatten sich vollständig diskreditiert; ohne staatliches
Eingreifen hätte jeder von ihnen seine Stelle verloren, und dennoch benutzten
eben diese Finanzleute den Staat dazu, sich zu bereichern. »Ich kann verstehen,
wieso Goldman Sachs an den Gesprächen darüber, was an der Wall Street
unternommen werden sollte, beteiligt werden wollte«, sagte Eisman. »Was ich
nicht begreife, ist, wieso irgendjemand auf sie hören sollte.« Nach seiner
Ansicht war die mangelnde Bereitschaft der US-Regierung, die Banker scheitern
zu lassen, weniger eine Lösung als vielmehr Symptom eines in seiner
Funktionsfähigkeit nach wie vor zutiefst gestörten Finanzsystems. Das Problem
war nicht etwa, dass Banken an sich für den Erfolg der US-Wirtschaft
entscheidend waren, sondern dass auf jede einzelne von ihnen Credit Default
Swaps für gigantische US-Dollar-Beträge in unbekannter Höhe ge- und verkauft
wurden. »Es gibt keine Grenze für das Risiko am Markt«, erklärte Eisman. »Eine
Bank mit einer Marktkapitalisierung von einer Milliarde US-Dollar könnte
ausstehende Credit Default Swaps im Wert von einer Billion US-Dollar haben.
Niemand weiß, wie viele es sind! Und niemand weiß, wo sie sind!« Ein
Zusammenbruch beispielsweise der Citigroup wäre wirtschaftlich vielleicht zu
verkraften gewesen. Er hätte zu Verlusten für die Aktionäre, die Besitzer von
Anleihen und die Beschäftigten geführt, aber die Summen, um die es sich gehandelt
hätte, wären allen bekannt gewesen. Mit einem Zusammenbruch der Citigroup wären
aber auch beträchtliche Spekulationen in unbekannter Höhe zur Auszahlung
fällig geworden: nämlich von allen, die Credit Default Swaps auf die Citigroup
an andere verkauft hatten.
    Somit
machte nicht mehr die gesellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz einer Bank
sie zu groß für einen Zusammenbruch,
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