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Lewis, Michael

Lewis, Michael

Titel: Lewis, Michael
Autoren: The Big Short
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sie
schockiert darauf reagieren würden, dass CEOs an der Wall Street seinerzeit
nur eine sehr vage Vorstellung von den komplexen Risiken hatten, die mit ihren
Anleihen verbunden waren.
    Ungefähr
so stellte ich mir das vor. Nie hätte ich gedacht, dass ein künftiger Leser im
Rückblick auf diese Situation oder meine seltsame persönliche Erfahrung sagen
könnte: »Wie drollig. Wie unschuldig.« Nicht im Traum wäre mir eingefallen,
dass die Finanzwelt der achtziger Jahre noch zwei ganze Jahrzehnte
fortbestehen könnte oder dass sich der graduelle Unterschied zwischen der Wall
Street und der Realwirtschaft zu einem grundlegenden auswachsen würde. Dass ein
einzelner Anleihenhändler 47 Millionen US-Dollar im Jahr verdienen und sich
dabei noch übervorteilt fühlen könnte. Dass der in der Handelsabteilung von
Salomon Brothers erfundene Markt für Hypothekenanleihen, der damals eine
geniale Idee zu sein schien, zur größten, fast ausschließlich
finanzmarktbedingten Wirtschaftskrise der Geschichte führen könnte. Dass genau
20 Jahre nach Howie Rubin, der es zu fragwürdiger Berühmtheit brachte, weil er
250 Millionen US-Dollar verzockte, ein anderer auf Hypothekenpapiere spezialisierter
Händler namens Howie mit einer einzigen Transaktion bei Morgan Stanley 9
Milliarden US-Dollar vernichten und weitgehend unbekannt bleiben sollte.
Lediglich einem kleinen internen Kreis bei Morgan Stanley sollte je zu Ohren
kommen, was er getan hatte und warum.
    Als
ich an meinem ersten Buch schrieb, hatte ich keinen Plan. Ich wollte einfach
nur loswerden, was ich für eine denkwürdige Geschichte hielt. Wenn Sie mir
damals ein paar Drinks spendiert und mich gefragt hätten, welche Wirkung dieses
Buch wohl auf die Welt haben würde, hätte ich vermutlich in etwa folgendermaßen
geantwortet: »Ich hoffe, dass es von Studenten gelesen wird, die darüber
nachdenken, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen, und zu dem Schluss kommen,
dass es dumm wäre, unredlich zu sein, und deshalb ihre Begeisterung für oder
ihr nur flüchtiges Interesse an einer Karriere in der Finanzwelt vergessen.«
Ich hoffte, dass der eine oder andere helle Kopf an der Ohio State University,
der eigentlich gern Ozeanograf werden wollte, mein Buch lesen und das Angebot
von Goldman Sachs ausschlagen und stattdessen in See stechen würde.
    Doch
diese Botschaft kam irgendwie nicht an. Sechs Monate nach dem Erscheinen von Wall Street Poker watete ich knietief in Briefen
von Studenten der Ohio State University, die alle wissen wollten, was ich sonst
noch über die Wall Street zu sagen hätte. Sie hatten mein Buch als Anleitung
verstanden.
    In
den 20 Jahren, nachdem ich ihr den Rücken gekehrt hatte, war tete ich darauf, dass die Wall
Street, wie ich sie kannte, untergehen würde. Die ungeheueren Bonuszahlungen,
die endlose Parade betrügerischer Trader, der Skandal, der Drexel Burnham
untergehen ließ, die Bloßstellung, die die Karriere von John Gutfreund
zerstörte und das Ende von Salomon Brothers besiegelte, die Krise, die auf den
Zusammenbruch von Long-Term Capital Management folgte, das mein früherer Chef
John Meriwether leitete, das Platzen der Internetblase: Immer und immer wieder
diskreditierte sich das Finanzsystem in irgendeiner Form. Dennoch wuchsen die
großen Banken der Wall Street, die im Zentrum dieser Entwicklungen standen,
ungehemmt weiter und gleichzeitig auch die Summen, die sie 26-jährigen Mitarbeitern
in die Hand drückten, um damit Aufgaben zu erfüllen, die ganz offensichtlich
keinen gesellschaftlichen Nutzen brachten. Der Aufstand der amerikanischen
Jugend gegen die Kultur des Geldes blieb aus. Warum sollte man auch die Welt
seiner Eltern auf den Kopf stellen, wenn man sie stattdessen kaufen,
zerschlagen und gewinnbringend veräußern konnte?
    Irgendwann
wollte ich nicht länger warten. Es würde keinen Skandal geben, so dachte ich,
und auch keinen Rückschlag, der heftig genug wäre, um das System aus den Angeln
zu heben.
    Doch
dann kam Meredith Whitney. Whitney war eine unbedeutende Analystin für
Finanzunternehmen bei einem unbedeutenden Finanzunternehmen, Oppenheimer und
Co., die vom 31. Oktober 2007 an nicht länger unbedeutend sein sollte. An jenem
Tag prognostizierte Whitney, dass das Missmanagement bei der Citigroup dazu
führen würde, dass diese entweder Dividenden kürzen oder Konkurs anmelden
werde. Was an einem bestimmten Tag auf dem Aktienmarkt welche Reaktionen
auslöst, wird im Nachhinein niemals richtig klar. Es war jedoch
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