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Leuchtfeuer Der Liebe

Leuchtfeuer Der Liebe

Titel: Leuchtfeuer Der Liebe
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hielt das Schreiben der Bezirkskommission in der Hand. Die jährliche Inspektion war demnächst fällig, und er hatte den ganzen Tag damit verbracht, das Boot auf Vordermann zu bringen. Er hatte den Rumpf abgedichtet und die Takelage überprüft, die Messingbeschläge geputzt und das
    Boot ins seichte Wasser geschoben, die Ruderpinne eingesetzt und das Ol in den Bootslampen aufgefüllt.
    Er wusste, wieso er gerade heute von einem solchen Arbeitseifer beseelt war. Den ganzen Vormittag hatte er sein Gewissen erforscht und sich schließlich zu einem Entschluss durchgerungen. Die Dinge mussten getan werden. Mussten gesagt werden.
    Ich lie b e dich, Mary.
    Vier Worte. Wie dumm von ihm, sich so lange dagegen gewehrt zu haben, sie auszusprechen.
    Wenn er Mary richtig einschätzte, so wusste sie längst, dass sein Herz ihr gehörte. Damals, als sie zum ersten Mal in der Kammer aufgewacht war und den Krug nach ihm geworfen hatte, hatte sie sein Herz bereits erobert. Nein, vorher schon. Bevor sie die Augen aufgeschlagen hatte. Es war genau so gekommen, wie Palina es vor Monaten prophezeit hatte. Mary war sein Schicksal. Weshalb hatte er versucht, sich einer Macht zu widersetzen, stärker und gewaltiger als die See?
    Er liebte auch Davy mit einer Heftigkeit, auf die er nicht vorbereitet war. Mary hatte ihn gelehrt, dass Vatersein keine Frage des Blutes war, sondern der Liebe.
    Jesse hob den Blick und fluchte vor sich hin, als er bemerkte, dass die Sonne bereits tief am Himmel stand. Die Tage im Winter waren kurz, gegen vier Uhr fing es bereits an zu dämmern. Er hatte den ganzen Tag vertrödelt. Nun eilte er den Hügel hinauf zum Leuchtturm, entzündete die Lampen für die Nacht, kurbelte das Triebwerk an und stieg rasch die Eisenstufen wieder hinunter.
    Es blieb ihm gerade noch Zeit, um ins Haus zu gehen und Mary endlich das zu sagen, was sein Dickschädel bisher nicht zugelassen hatte. Vielleicht würde sie ihn in der kommenden Nacht wieder im Leuchtturm besuchen. Der Gedanke an ihre Liebesbegegnung brachte sein Blut in Wallung.
    Er stürmte schnell die Anhöhe zum Haus hinauf, wie so oft in letzter Zeit, konnte es kaum erwarten, Mary und das Kind zu sehen.
    Beim Anblick des Hauses spürte er eine Veränderung. Etwas, was ihn seltsamerweise an die Ruhe vor einem Sturm erinnerte, hing in der Luft. Aus dem Kamin stieg kein Rauch. Kein Essensgeruch wehte ihm entgegen. Die Fenster waren dunkel.
    Verdutzt fragte er sich, ob Mary den Tag vielleicht bei den Jonssons verbracht hatte. Er hatte sie wohl tiefer gekränkt, als er befürchtet hatte.
    Alles, was ich für dich tun kann, ist, dir wehzutun. Hatte er das tatsächlich gesagt? War das erst heute früh gewesen?
    Er würde alles wieder gutmachen. Er wollte ihr sagen, wie sehr er sie liebte. Er wollte ihr sagen, dass er sie immer geliebt hatte und immer lieben würde. Gemeinsam würden sie Annabelle aufsuchen und ihr von dem Baby erzählen. Und dann würde alles ins Lot kommen.
    Er betrat das Haus. Ein schwacher Duft nach Gardenien hing in der Luft. War Annabelle hier gewesen? Etwas knirschte unter seinen Stiefeln. Stirnrunzelnd untersuchte er den Boden. Glassplitter. Hellblau. Die Glaskugel.
    Vielleicht hatte er es zu weit getrieben. Vielleicht hatte Mary ihn endgültig verlassen. Hasste sie ihn so sehr, um das einzige Geschenk, das er ihr je gemacht hatte, zu vernichten?
    Er rannte zum Stall hinüber, stieg auf D'Artagnan, ohne ihn vorher zu satteln, und jagte im gestreckten Galopp zu den Jonssons hinüber. Das Licht der schwankenden Laterne in seiner Hand warf gespenstisch flackernde Schatten auf die Bäume am
    Wegrand. Der aufkommende Wind heulte in den Baumwipfeln. Ein Sturm braute sich zusammen.
    Jesse saß nicht ab, als Palina auf die Veranda trat. „Jesse?" rief sie mit lauter Stimme, um den Sturm zu übertönen. „Ist etwas passiert? Wo ist Mary?"
    „Ich dachte, sie sei bei euch."
    „Nein. Sie holte das Baby frühmorgens, und seither haben wir sie nicht gesehen."
    Jesse dachte an das zerbrochene Glas. Annabelles Parfüm. Etwas war geschehen. Etwas Schreckliches war passiert.
    Dumpfe Hufschläge wurden laut. Jesse wendete das Pferd, sah einen tanzenden Lichtpunkt in der Ferne. Er bohrte dem Gaul die Absätze in die Flanken und ritt dem Licht entgegen.
    Es war Judson Espy, der Hafenmeister. Als Jesse ihn erreichte, begann es zu regnen.
    Die Regentropfen schössen vom Sturm gepeitscht schräg vom Himmel, scharf wie Nadelstiche. Judson schrie etwas. Jesse hörte den Anfang
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