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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg
Autoren: Hilary Norman
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ihm treffen?«
    »Natürlich«, antwortete Grace.
    »Heute noch?«, fragte Annie rasch nach. »Ich weiß, dass wir Wochenende haben, und ich hasse es, mich Ihnen aufzudrängen, aber irgendetwas ist schrecklich falsch bei dem Jungen. Ich weiß es einfach.«
    Grace dachte eine Sekunde lang nach. Sam war bereits unterwegs, um weiter an seinem Mordfall zu arbeiten, und Cathy wollte Lauftraining machen und anschließend in die Aventura Mall gehen.
    »Heute Mittag«, sagte sie.
    »Wirklich?« Annies Stimme war voller Dankbarkeit.
    »Ich hoffe nur, dass ich Ihnen helfen kann«, erwiderte Grace.
    Grace war entsetzt, als sie den Teenager aus dem Auto seiner Mutter steigen, ihr zum Abschied zunicken und den kleinen weißen Steinweg hinaufkommen sah, der zwischen den Palmen hindurch zur Haustür führte.
    Sein Gang beunruhigte sie als Erstes: nervöse Körpersprache, hängende Schultern, aber nicht wie bei einem trotzigen Teenager. Das war anders, seltsamer …
    »Hi, Doc«, sagte Greg, als Grace die Tür öffnete.
    Aus der Nähe betrachtet sah er tatsächlich krank aus. Er hatte eine gesunde Sonnenbräune, aber die Blässe darunter war deutlich zu sehen, und er war gegenüber ihrem letzten Treffen merklich abgemagert.
    Annie hatte jedoch mit Nachdruck erklärt, dass ihr Sohn nicht körperlich krank sei.
    »Hallo, Greg.« Grace überkam das plötzliche Verlangen, ihn zu umarmen; stattdessen gab sie ihm die Hand. Sein Griff war fest, doch seine Haut fühlte sich kalt an, und anders als sonst schaute er Grace nicht in die Augen. Grace bemerkte, dass der Junge den herbeieilenden Woody als Vorwand benutzte, um sich von ihr abzuwenden.
    Vielleicht hatte er Angst vor dem, was sie in seinem Gesicht sehen könnte.
    Grace winkte Annie zu, als diese davonfuhr, und schloss die Haustür.
    »Sollen wir auf die Veranda?« Sie wusste, dass die Nähe zum Meer Gregory stets beruhigte.
    »Klar«, antwortete er.
    Seit ihrem letzten therapeutischen Gespräch war er in den Stimmbruch gekommen.
    Er war jetzt ein junger Mann.
    »Möchtest du etwas trinken?«, bot sie ihm an.
    Er schüttelte den Kopf.
    Sie ließen Woody im klimatisierten Haus und machten es sich auf der Veranda auf den bunt gepolsterten Korbsesseln bequem.
    »Noch immer keine Sunfish«, bemerkte Gregory nach kurzem Schweigen.
    »Nein.« Grace lächelte. »Ich bin auch nicht sicher, ob ich im Augenblick überhaupt in eine reinpassen würde.«
    »Wann bekommen Sie Ihr Baby?«, fragte der Junge.
    »In ein paar Monaten«, antwortete Grace.
    In den ersten Tagen der Therapie hatte sie ihm gegenüber einmal erwähnt, dass sie schon immer Gefallen an diesen kleinen Segelbooten gefunden hatte. Damit hatte sie Gregory zeigen wollen, dass sie zumindest eine Vorliebe teilten. Natürlich hatte sie nicht hinzugefügt, dass sie einmal auf einen furchtbaren Segeltörn mitgenommen worden war, der ihr Verlangen nach der hohen See nachhaltig gestillt hatte; aber sie wusste, dass der geplagte Junge gern Zeit auf der Pegasus verbrachte, der Catalina-Jacht seiner Eltern, die in der Dumfoundling Bay lag, nahe bei ihrem Haus.
    Gemeinsamkeiten zwischen Therapeut und Patient waren zwar keine zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie; aber Grace hatte im Laufe der Jahre herausgefunden, dass so etwas bei schweigsameren Jugendlichen die Kommunikation erheblich erleichtern konnte.
    »Seid ihr diesen Sommer viel mit der Pegasus rausgefahren?«, fragte sie nun.
    »Ein wenig«, antwortete Greg.
    Er war ein gut aussehender Junge: braunes Haar, braune Augen mit langen Wimpern und ein sinnlicher Mund. Grace war Zeuge der Rückkehr dieser Attribute geworden – die durch die Drogen eine Zeitlang verloren gegangen waren –, und sie hatte die vorsichtige Erleichterung der Hoffmans geteilt, als sie diese Schlacht mit einer Kombination aus Reha, Beratung und Liebe gewonnen hatten. Nach und nach war das nette Kind mit dem freundlichen Gesicht wieder zu seinen verwirrten Eltern und seiner kleinen Schwester Janie zurückgekehrt.
    Offenbar hatten sie aber tatsächlich nur eine Schlacht und nicht den Krieg gewonnen.
    Grace sah nun, was Annie gemeint hatte. Da war der gehetzte Ausdruck in Gregorys Augen, den Grace als außerordentlich beunruhigend empfand. Sie fragte sich, ob Gregory auf etwas zurückgegriffen hatte, das das Bewusstsein noch dramatischer veränderte als Marihuana oder Kokain.
    »Deine Mom macht sich Sorgen um dich«, sagte Grace.
    Direkt heraus, so wie sie es vorzog. Alles noch mal von
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