Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg
Autoren: Hilary Norman
Vom Netzwerk:
der Praxis.
    Wie ihre Vorgängerin kannte sie jedoch keine Zurückhaltung, wenn es darum ging, ihre Arbeitgeberin zu ermahnen, sich um sich selbst zu kümmern. Das hieß, dass das »Team Grace« nun, im siebten Monat, noch immer funktionsfähig war, auch wenn die werdende Mutter ziemlich optimistisch war und darauf bestand, weiter für ihre Patienten erreichbar zu sein.
    »Achten Sie wenigstens darauf, Ihre Wochenendregelung einzuhalten«, hatte Lucia ihr gegenüber vor einem Monat argumentiert. Sprechzeiten: montags bis freitags.
    »Ausgenommen Notfälle«, hatte Grace gesagt.
    »Wenn die Patienten die Wochenenden bis jetzt ohne Sie überstanden haben, Dr. Lucca«, hatte Lucia auf ihrer Meinung bestanden, »können sie auch warten, bis Sie Ihr Kind zur Welt gebracht haben.«
    Grace musste zugeben, dass ihr gefiel, wie sich das anhörte.
    Auch Sam gefiel es.
    Er half seiner Frau, wo immer er konnte. Er rieb ihr den Nacken, trug die Einkäufe für sie, kochte, wann immer sie ihn ließ, und beruhigte sie. Er küsste und streichelte ihren Bauch, sprach jeden Tag mitdem Jungen in ihr und sang ihm des Nachts mit tiefer Stimme Wiegenlieder vor, was Grace liebte, denn Sams andere, außerdienstliche Leidenschaft war die Oper. Wann immer er Zeit fand, sang er sogar in einer Amateurtruppe, S-BOP , einer Gruppe in South Beach.
    In ihrer nächsten Produktion hatten sie ihm die Rolle des Figaro angeboten, und normalerweise hätte er die Gelegenheit sofort beim Schopf gepackt, aber diesmal lehnte er ab. Er wollte so viel wie möglich zu Hause sein, sich um seine Frau kümmern und sich um die Sicherheit des Babys sorgen, stets von der geheimen Angst geplagt, Grace in irgendeiner Form im Stich zu lassen.
    Oft dachte er an seinen süßen, kleinen Jungen, der schon lange tot war – und das war nicht seine Schuld gewesen, egal was seine Ex-Frau Althea glauben mochte. Doch der brennende Schmerz kehrte immer wieder zu Sam zurück, wie ein Bumerang, und zwang ihn, die Tragödie stets aufs Neue zu durchleben.
    Das ist nicht das Gleiche.
    Dessen ermahnte er sich oft. Das hier war sein neues Leben, und Grace war die vollkommene Antithese zu Althea. Er sagte sich, dass sein Sohn – wenn er denn erst einmal gesund geboren war, so Gott wollte – so sicher beschützt werden würde, wie es nur möglich war.
    Nicht wie Sampson.
    Nicht das Gleiche.
    Bitte, Gott.
    Grace hatte schon immer an die Maxime geglaubt, dass Regeln dazu da seien, um gebrochen zu werden.
    Lucia Bussetos Idee, dass die Wochenenden für die Familie reserviert waren, war solch eine Regel, der Grace von ganzem Herzen zustimmte. Doch es gab immer Ausnahmen.
    Es war nun drei Monate her, seit Grace den jungen Gregory Hoffman zum letzten Mal gesehen hatte, und in den gut zwei Jahren, die er nun schon ihr Patient war, war Grace seine Mutter Annie nie als überängstlich oder gar hysterisch erschienen. Doch am Telefon, eine Minute nach neun am Samstagmorgen, hörte Annie Hoffman sich an, als habe sie das Ende der Fahnenstange erreicht: Gregory, inzwischen vierzehn,war die vergangenen zwei Nächte schreiend aus Albträumen erwacht; außerdem, erklärte Annie, sei er schrecklich nervös und völlig fertig.
    »Und ich glaube nicht, dass er etwas genommen hat«, hatte Annie Grace’ unausgesprochene Frage beantwortet. »Obwohl man das nicht mit Sicherheit sagen kann, nicht wahr?«
    »Haben Sie beide versucht, mit ihm zu reden?«
    »Jay hat sich gestern nach dem Abendessen mit ihm zusammengesetzt«, berichtete Annie. »Greg hat kaum ein Wort gesagt. Er ist nun schon seit Tagen so, Grace, fast, als könne er nicht mehr sprechen … es sei denn, er will uns damit sagen, wir sollen ihn in Ruhe lassen.«
    »Das ist normal für einen Teenager«, sagte Grace in sanftem Ton.
    »So nicht«, widersprach ihr Annie. »Er sieht krank aus, Grace.«
    »Sind Sie sicher, dass er nichts hat, Annie?«
    »Jedenfalls nichts, was in die Expertise Ihres Schwiegervaters fallen würde«, antwortete Annie.
    Es war David gewesen, der den Hoffmans Grace empfohlen hatte.
    »Hat Greg gesagt, dass er gerne mit mir sprechen würde?«, erkundigte sich Grace.
    »Nicht wirklich«, gab Annie zu. »Aber er hat sich Ihnen in der Vergangenheit immer anvertraut.«
    »Nicht immer«, erinnerte Grace sie. »Und selbst, falls er mir sagen sollte, was nicht mit ihm stimmt … Es gibt keine schnellen Lösungen. Vergessen Sie das nicht, Annie.«
    »Wir wissen, wie das läuft«, sagte Annie. »Grace, würden Sie sich bitte mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher