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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg
Autoren: Hilary Norman
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nicht.«
    »Meinst du, wir sollten mit ihr darüber sprechen?«
    »Nur andeutungsweise«, antwortete Grace. »Damit sie weiß, dass wir es wissen.«
    »›Ich habe gehört, du hast Lucia etwas dagelassen.‹ So etwa?«
    Grace nickte, lächelte und schaute zu Joshua, der in der Krippe neben dem Bett schlief.
    »Hört sich gut an«, sagte sie.
    Sam rückte näher zu ihr. »Was denkst du, Gracie? Glaubst du, wir werden gute, richtige Eltern sein? Von den Windeln angefangen, meine ich.«
    »Ich weiß, was du meinst.« Sie küsste ihn. »Und ich habe keine Ahnung, ob wir gute Eltern sein werden.« Sie hielt kurz inne. »Ich hoffe es aber sehr.«
    »Bin ich bloß ein typischer verliebter Vater«, er beugte sich über sie, um in die Krippe zu schauen, »oder ist unser Sohn wirklich das schönste Baby, das ich je gesehen habe?«
    »Beides«, antwortete Grace.
    Sam legte sich wieder zurück. »Ob Cathy darüber hinwegkommt?«
    »Ich weiß es nicht.« Grace’ Blick war ernst. »Für eine junge Frau von zweiundzwanzig Jahren hat sie schon sehr viele Narben, Sam.«
    »Jeder von uns hat Narben davongetragen«, sagte Sam.

157.
    Cathy lag im Bett.
    Sie lag wach im Dunkeln.
    Sie dachte an Kez.
    Sie dachte an die chinesischen Schriftzeichen, die Kez auf die rechte Fußsohle tätowiert gehabt hatte und von denen Cathy inzwischen wusste, dass sie das Symbol für »Hyäne« darstellten – für jene Tiere, von denen Kez ihr in ihren letzten Stunden erzählt hatte, dass sie sie bewundere.
    Genau das hatte Kez getan – Hyänen bewundert –, als Saul das Verbrechen beging, Kez im Zoo zu sehen, und als Kez in ihrem Wahnsinn geglaubt hatte, er würde sie verspotten. Hatte sie Saul mit ihrer tätowierten Fußsohle die Kehle zertreten?, fragte Cathy sich – wie schon so viele quälende Male zuvor.
    Das war nur eine der vielen Fragen, einer der vielen Gedanken über Kez. Einige dieser Gedanken waren süß, andere äußerst schmerzhaft, und sie gingen Cathy ständig im Kopf herum, bei Tag wie auch in den schlaflosen Nächten.
    Zehn Tage nach Joshuas Geburt hatte sie versucht, an die Trent University zurückzugehen, und es war schön gewesen, Coach Delaney wiederzusehen. Der Coach war genauso entsetzt wie alle anderen, nur schien in seinem Fall auch die Trauer um Kez echt zu sein. Aber was die Arbeit, das Studium betraf, war Cathy bis jetzt nicht dazu in der Lage gewesen.
    Heute jedoch war ein besserer Tag gewesen, fast schon ein guter Tag.
    Sam und Grace hatten mit ihr über ihren Besuch bei Lucia gesprochen. Sie waren cool gewesen und hatten sie nur wissen lassen, dass sie es wussten. Wenn sie darüber reden wollte, würden sie für sie da sein, hatten sie gesagt; aber sollte sie es nicht wollen, so wäre das auch in Ordnung.
    Und Cathy hatte nicht darüber reden wollen; sie hatte schon mehr als genug darüber nachgegrübelt und tat es noch immer. Sie fragte sich, ob sie es bedauerte, dass die Schläuche und Monitore es ihr unmöglich gemacht hatten, das zu tun, was sie ansonsten getan hätte. Sie dachte darüber nach, ob sie irgendeine monströse Form von Erleichterung empfunden hätte, Lucia die Pflanzen in den Hals zu stopfen.
    Aber das waren kranke Gedanken, bedrückende Gedanken.
    Gedanken, die man nicht teilte.
    »Ich glaube, ich hab dieses Buch so ziemlich geschlossen«, sagte sie zu Sam und Grace, und sie hatten sie offenbar beim Wort genommen.
    Joshua war ein glückliches Kind.
    Cathy streckte die Hand zu ihrem Nachttisch aus und klopfte auf Holz.
    Sie war an diesem Morgen zu Saul gefahren, und auch was ihn betraf, fühlte Cathy sich schon besser.
    »Ich habe nachgedacht«, hatte er auf seinem Computer geschrieben, »über das Medizinstudium.«
    »Was ist damit?«, hatte Cathy gefragt.
    »Ich war mir nie sicher«, hatte er getippt, »ob ich wirklich gut sein würde.«
    Cathy hatte nichts darauf erwidert, weil sie gefürchtet hatte, das Falsche zu sagen. Das war ein Thema, dem sie alle bisher aus dem Weg gegangen waren, da niemand wusste, ob Saul dieses harte Studium wirklich wiederaufnehmen konnte.
    »Ich glaube, ich wechsle das Fach«, tippte er weiter, »und studiere Möbeldesign.«
    Cathy war überrascht gewesen, doch Saul hatte mit dem Thema weitergemacht, und dabei hatte er so lebendig gewirkt wie seit Terris Tod nicht mehr. Schließlich war er dann zu müde zum Tippen gewesen, hatte sich zurückgelehnt, und die Traurigkeit war in seine Augen zurückgekehrt.
    Cathy nahm an, dass Saul ihr das mit dem Medizin- kontra
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