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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg
Autoren: Hilary Norman
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an.
    Er erzählte ihm, was Cathy getan hatte.
    Von dem Besuch.
    »Hast du gewusst, dass sie dorthin fährt?«
    Sam antwortete, das habe er nicht.
    »Gab es ein Problem?«, fragte er angespannt.
    Er hatte mit Woody in der Küche gesessen und frisch gepressten Orangensaft getrunken. Nach Kaffee war ihm nicht mehr zumute gewesen, seit er das Krankenhaus verlassen hatte. Er hatte Martinez gebeten, den Jungs zu sagen, sie bräuchten ihm seine Espressomaschine nicht wieder zurückzubringen, wenn sie mit den Untersuchungen fertig waren – und der einzige Tee, den er heutzutage trank, kam in vakuumversiegelten Packungen aus dem Supermarkt.
    Oben hatte Joshua, der bei seiner Mutter war, nach Essen geschrien, doch nun hatte er damit aufgehört, und kurz bevor das Telefon geklingelt hatte, hatte Sam zu ihnen gehen wollen. Vor seinem geistigen Auge hatte er bereits ihren kleinen Sohn an Grace’ Brust gesehen.
    Es war das süßeste Bild der Welt.
    »Es gab kein Problem mit dem Besuch an sich«, erklärte Martinez. »Es war das Geschenk, das Cathy dagelassen hat.«
    »Erzähl es mir.« Sams Herz schlug schneller.
    »Es ist schon okay.« Sein guter Freund war dieser Tage rasch mit Beruhigungen zur Hand. »Aber es wäre vielleicht anders gewesen und hätte großen Ärger für Cathy bedeutet, wäre der Kerl nicht zu mir gekommen, der erkannt hat, was es wirklich war.«
    »Mein Gott«, sagte Sam. »Was war es denn nun?«
    »Ein Strauß Blumen«, antwortete Martinez. »Hübsche Dinger, hat er gesagt. Hübsche Farbe, hat die Krankenschwester gesagt, als sie siedem Officer gezeigt hat – einem netten jungen Kerl mit Namen Domingo, der nach Lucia gesehen hat.«
    »Nun sag schon«, forderte Sam ihn gereizt auf.
    »Weißer Stechapfel«, sagte Martinez.
    Sie beide kannten Stechapfel, auch als Teufelstrompete und unter anderen Namen bekannt. Erst vor ein paar Monaten hatten sie einen Teenager verhaftet, der am Strand Amok gelaufen war, nachdem er das Zeug geraucht hatte.
    »Das ist eine ziemlich weit verbreitete Pflanze«, fuhr Martinez fort, »also kann Cathy sie irgendwo an der Straße gepflückt haben.«
    Sam sah es vor seinem geistigen Auge: ihre trauernde, verwirrte Tochter, die am Straßenrand giftige Kräuter sammelte – und das Zeug war hochgradig giftig, das wusste er. Doch hätte Cathy es wirklich ernst gemeint, nahm er an, hätte sie sich etwas noch Giftigeres gesucht; außerdem hatte sie natürlich gewusst, dass Lucia die Pflanze nicht mehr anfassen konnte.
    »Sie hat die Pflanzen einfach da stehen lassen, nicht wahr?«, fragte Sam. »Sie hat nichts damit getan, hat nicht versucht …«
    »Sie hat nicht versucht, sie Lucia in den Hals zu stecken«, sagte Martinez, »oder den Saft der Pflanze in die Infusionslösung zu mischen. Nein, nichts dergleichen. Aber sie hat eine Karte dazugelegt, auf der stand, Lucia könne sie vielleicht als nützlich betrachten.«
    Die beiden Männer hatten von Grace gehört, was Lucia an jenem Nachmittag zu ihr gesagt hatte – jene Worte, die sie an das Foto erinnert hatten. »Man weiß nie, wann das vielleicht einmal von Nutzen sein könnte.«
    »Deshalb halte ich das eher für eine Art Geste«, fuhr Martinez fort, »und nicht für einen Versuch, ihr wirklich etwa anzutun. Vielleicht wollte Cathy der Hexe ihr Geschenk einfach nur symbolisch zurückgeben.«
    »Das hört sich zumindest so an«, sagte Sam. »Ja, du hast wohl recht.«
    »Domingo sieht das genauso«, sagte Martinez. »Deshalb hat er die Blumen und die Karte ja auch zu mir gebracht, anstatt es zu melden.«
    Im Geiste segnete Sam Officer Domingo dafür.
    »Was hast du damit gemacht, Al?«, fragte er.
    »Was soll ich denn mit ein paar lausigen Gräsern?«, entgegnete Martinez. »Ich hab sie eingepackt und in den Müll geworfen. Die Karte ebenfalls.«
    »Danke, Al«, sagte Sam. »Ich schulde dir was – schon wieder.«
    »Du würdest das Gleiche für mich tun«, sagte Martinez.
    »Meinst du, ich sollte mit Domingo sprechen?«
    »Würde ich nicht tun«, antwortete Martinez. »Ich dachte nur, du solltest es wissen.«
    »Danke«, sagte Sam. »Ich bin …  Wir sind dir sehr dankbar.«
    »Nada«, sagte Martinez. »Keine große Sache.«
    »Wie groß ist unser Problem, was meinst du?«, fragte er Grace kurze Zeit später.
    »Ich fürchte, wir haben alle möglichen Probleme.« Sie seufzte. »Wenn du mich fragst, ob ich glaube, dass Cathys Geschenk an Lucia der Beginn einer Karriere als Giftmischerin ist … nein, das glaube ich
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