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Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi

Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi

Titel: Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
Autoren: Herbert Dutzler
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zuckte mit den Schultern. „Schwer zu sagen. Ein Gerichtsmediziner bin ich nicht. Aber so vier, fünf Stunden werden es wohl sein. Mindestens. Wenn er hier im Freien gelegen ist.“
    „Was heißt, wenn?“ Eine tiefe, senkrechte Falte erschien über der Stirn der Frau Doktor. Sie war wohl, fiel Gasperlmaier ein, die erste Frau, die sich in das Pissoir des Altausseer Kirtags verirrt hatte, und war so ein gänzlich fremdartiger Anblick.
    „Na ja, die Totenstarre hat schon teilweise eingesetzt. Wenn er allerdings hier gestorben wäre, gäbe es keine Leichenflecken an den Unterschenkeln, sehen Sie, hier?“ Der Doktor wies auf hässliche bläuliche Verfärbungen an den Waden der Leiche. „Die Beine müssen bei Eintritt des Todes, und auch noch danach, hinuntergehangen haben, wahrscheinlich ist er gesessen. Ich würde sagen, der Tote ist einige Zeit, nachdem er gestorben ist, noch einmal bewegt worden. Möglicherweise erst vor ein, zwei Stunden.“
    Gasperlmaier schoss es siedend heiß bis in den Schädel hinein. Normal hielt er nicht viel von der Kunst des Doktor Walter, der schien ihm mehr von Autos und Golfschlägern zu verstehen als von Nieren, Hautausschlägen und unklaren Schmerzzuständen in den Eingeweiden, von denen Gasperlmaier plötzlich und heftig heimgesucht wurde. Diesmal allerdings, wusste Gasperlmaier, hatte der Doktor ins Schwarze getroffen.
    „Die Spurensicherung meint auch, dass Fundort und Tatort nicht übereinstimmen. Sie haben viel zu wenig Blut für die Verletzung gefunden.“ Wie hatte Gasperlmaier nur im Traum annehmen können, sein Leichentransport werde unentdeckt bleiben. Gerade fielen ihm wieder die weiteren Beweise ein, die er zurückgelassen hatte: die blutige Bierbank im Gebüsch und wohl auch ein paar Blutspuren unter dem Tisch, wo, wie Gasperlmaier jetzt erst klar wurde, die Bank natürlich vermisst werden würde. Zu jedem Tisch gehörten zwei Bänke – und einem fehlte nun eine solche. Die Spurensicherer würden nicht ruhen, bevor sie nicht auch den letzten Winkel des Bierzelts nach Nasenhaaren und Hautschuppen des verblichenen Doktor Naglreiter abgesucht hatten, und Gasperlmaier hatte bei seiner Leichen- und Bankbeseitigung leichtsinnigerweise nicht einmal Handschuhe getragen!
    Beim nächsten Leichenfund würde Gasperlmaier, das schwor er sich schon jetzt, jedenfalls still und heimlich verschwinden und sich krank melden, bis jemand anderer ihm dieses unangenehme Geschäft abgenommen haben würde.
    „Sie haben also die Leiche gefunden?“ Schlagartig wurde Gasperlmaier aus seinen Gedanken gerissen, als ihn die Frau Doktor Kohlross, aus dem Pissoir tretend, jäh ansprach, und ebenso jäh riss es den Angesprochenen so ordentlich, dass die Frau Doktor verwundert die Augenbrauen hochzog.
    Gasperlmaier bejahte, übertrieben mit dem Kopf nickend, der ihm nicht mehr so recht gehorchen und still auf dem Hals sitzen bleiben wollte.
    „Was wollten Sie denn im Pissoir?“ Ganz sicher war sich Gasperlmaier, dass die Frau Doktor aus seinem hilflosen Gestikulieren auf eine Lüge schließen musste, dennoch bekam er es nicht unter Kontrolle. „Ich hab halt, weil ich …“ „Sie wollten es benützen?“, sprang ihm die Frau Doktor bei. Gasperlmaier nickte, während er Hitze in seinem Kopf aufsteigen spürte, die gewöhnlich mit der Rötung seiner Ohren und seines Gesichts einherzugehen pflegte. „Und Sie haben seine Lage nicht verändert?“ Gasperlmaier schüttelte energisch den Kopf und ließ dabei alle Hoffnung fahren, die Frau Doktor werde ihm glauben.
    Abschätzig betrachtete sie Gasperlmaiers Zuckun-gen. „Ich glaub, wir setzen uns lieber kurz ins Zelt und Sie erklären mir noch einmal genau, wie die Situation war.“ Während Gasperlmaier, weiterhin nickend im Versuch, seine unkontrollierbaren Schädelbewegungen wenigstens zu dämpfen, sich hinter der Frau Doktor in Bewegung setzte, gab sie noch Anweisungen an die Uniformierten: „Alles absuchen, um das Zelt, drinnen, die Leute müssen weg. Spurensicherung ins Zelt.“
    Drinnen setzte sie sich Gasperlmaier gegenüber hin, dem es gelungen war, sich ein wenig besser unter Kontrolle zu bekommen. Die Frau Doktor zog aus seiner deutlich erkennbaren Erregung aber die falschen Schlüsse. „Ich weiß, es ist ein Schock, eine Leiche zu finden, die so zugerichtet ist. Auch für mich ist es immer noch nicht leicht. Manche müssen sich in solchen Situationen sogar übergeben.“
    Gasperlmaier ertappte sich dabei, wie er in das durchaus
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