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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra
Autoren: Lindsey Davis
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schicken Stiefel und zerrte ihn von dem Muli. Philocrates, der nicht auf diesen Angriff vorbereitet war, krachte mit einem entsetzlichen, dumpfen Aufschlag zu Boden.
    Die Menge brüllte vor Begeisterung. Es war nicht komisch. Philocrates war auf das Gesicht gefallen. Seine hübsche Visage war mit Sicherheit ruiniert. Er konnte von Glück sagen, wenn nur die Nase gebrochen war. Congrio hörte auf, herumzuhüpfen, rannte zu ihm und zog ihn zu der Seitennische, aus der jetzt auch der schockierte Tranio auftauchte. Gemeinsam trugen sie den bewußtlosen Schauspieler aus der Arena. Die Menge konnte sich kaum einkriegen. Je weniger Ensemblemitglieder auf den Beinen blieben, desto entzückter würden sie sein.
    Ohne sich um Philocrates’ Abtransport zu kümmern, versuchte Grumio, auf das Muli zu steigen. Ich stolperte immer noch herum und verhedderte mich im langen Saum meines Kostüms, halb blind durch die Maske. Während ich mich vorwärtskämpfte, hörte ich das Lachen der Menge. Es galt nicht meinem Gekasper. Grumio hatte nicht mit der Verschlagenheit des Mulis gerechnet. Als er das Bein über dessen Rücken schwingen wollte, machte es einen Satz zur Seite. Je mehr er sich bemühte, in den Sattel zu kommen, desto weiter tänzelte es weg.
    Alles bog sich vor Lachen. Es sah wie ein absichtlicher Trick aus. Selbst ich blieb stehen, um zuzuschauen. Mit frustrierten Hüpfern folgte Grumio dem Muli, bis sie sich gegenseitig ins Gesicht sahen. Grumio machte einen Schritt zur Seite, wollte erneut versuchen, in den Sattel zu steigen, doch das Muli machte eine rasche Drehung, gab ihm mit seiner langen Nase einen ordentlichen Schubs und warf ihn der Länge lang zu Boden. Über diese Heldentat entzückt wiehernd, galoppierte das Muli von der Bühne.
    Grumio war Akrobat. Er hatte seinen Sturz besser abgefangen als Philocrates und kam sofort wieder auf die Füße. Er wollte dem Muli nach und zu Fuß entkommen, doch in diesem Moment schloß Thalia krachend das Tor am anderen Ende. Dazu gebaut, wilden Tieren zu widerstehen, war es viel zu hoch zum Drüberklettern. Er wirbelte wieder herum – und traf auf mich. Immer noch in meinem wallenden Geisterkostüm, versuchte ich, ihm den Weg zum anderen Ausgang zu versperren. Die Toröffnung stand mindestens zwölf Fuß weit offen, aber immer mehr Mitglieder unserer Truppe drängten sich hinein, um ja nichts zu verpassen. Sie würden ihn nicht durchlassen.
    Jetzt hieß es, er gegen mich.
    Oder doch nicht ganz, denn noch zwei weitere Figuren waren plötzlich aufgetaucht. Bei dieser letzten Szene in der Arena würde er es mit mir aufnehmen müssen plus Musa und dem Opferzicklein.
    Ensemblespiel vom Feinsten.

LXXIII
    Ich zerrte die Maske herunter. Die wallenden grauen Locken aus grobem Pferdehaar verhedderten sich in meinen Fingern. Gewaltsam machte ich sie los und schleuderte die Maske weg.
    Das helle Fackellicht ließ mich blinzeln. Ich sah Helena im Tribunal aufspringen und heftig auf den Kommandeur einreden. Davos sprang in großen Sätzen die Stufen zur Arena hinunter. Die Garnison von Palmyra schien doch nicht nur aus Abschaum zu bestehen; gleich darauf war hastige, aber kontrollierte Aktivität am Ende einer Sitzreihe zu sehen.
    Hinter mir stand Musa mit dem Zicklein in den Armen. Er war verrückt; ein Nabatäer; aus einer anderen Welt. Ich verstand nicht, was der Idiot hier wollte. »Hau ab! Hol Hilfe!« Er ignorierte mein Gebrüll.
    Ich raffte die grotesken Falten des Kostüms und stopfte sie in meinen Gürtel. Die Menge wurde plötzlich so still, daß ich das Zischen der Pechfackeln hören konnte, die die Bühne beleuchteten. Die Soldaten hatten keine Ahnung, was los war, begriffen aber, daß es im Programm nicht vorgesehen war. Ich hatte das dumpfe Gefühl, daß Der redselige Geist sich in etwas verwandelte, worüber sie noch jahrelang reden würden.
    Grumio und ich standen etwa vierzehn Fuß voneinander entfernt, um uns herum Requisiten, die alle mehr oder weniger als Verstecke für den Geist gedacht waren: der schroffe Felsen, der tragbare Ofen, ein Wäschekorb, ein Diwan, ein großer Keramiktopf.
    Grumio genoß das Ganze. Er wußte, daß ich ihn ausschalten mußte. Seine Augen blitzten. Seine Wangen waren hektisch gerötet. Er war trunken vor Erregung. Ich hätte von Anfang an sehen müssen, daß er einer jener eiskalten, arroganten Mörder war, die ohne jedes Gefühl Leben auslöschen und niemals Reue zeigen.
    »Das ist der Mörder vom Hohen Opferplatz«, verkündete Musa und
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