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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra
Autoren: Lindsey Davis
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stellte ihn damit öffentlich bloß. Der Dreckskerl fing nur kühl an zu pfeifen.
    »Geben Sie auf.« Mit ruhiger Stimme wandte ich mich an Grumio. »Wir haben Beweise und Zeugen. Ich weiß, daß Sie den Stückeschreiber umgebracht haben, weil er Ihnen die verschwundene Schriftrolle nicht zurückgeben wollte – und ich weiß, daß Sie Ione erwürgt haben.«
    »›Nun, da sie tot ist, sind einige Probleme von uns genommen …‹« Er zitierte aus dem Mädchen aus Andros. Die Frechheit brachte mich zur Weißglut. »Kommen Sie ja nicht näher, Falco.«
    Er war verrückt, in dem Sinne, daß ihm jegliche Menschlichkeit abging. In jedem anderen Sinne war er so normal wie ich, und wahrscheinlich intelligenter. Er war durchtrainiert, athletisch, geübt in Taschenspielertricks und besaß einen scharfen Blick. Ich wollte nicht gegen ihn antreten – aber er wollte den Kampf mit mir.
    Plötzlich war ein Dolch in seiner Hand. Mein Messer glitt aus meinem Stiefel in meine Hand wie ein Freund. Doch mir blieb keine Zeit, durchzuatmen. Er war ein berufsmäßiger Jongleur; wenn ich ihm zu nahe kam, würde ich entwaffnet sein, ehe ich mich’s versah. Ich war ungepanzert. Er hatte den Umhang beiseite geworfen und war zumindest durch die Lederschürze des Bühnensklaven geschützt.
    Er duckte sich zu einem Scheinangriff. Ich blieb aufrecht, ließ mich nicht darauf ein. Er fletschte die Zähne. Ich ignorierte auch das. Ich begann ihn zu umkreisen, das Gewicht heimlich auf die Fußballen verlegt. Auch er umschlich mich. Unsere Kreise wurden enger. Auf den Rängen mit den langen Bänken begann ein leises, rhythmisches Stampfen. Die Soldaten würden es so lange fortsetzen, bis einer von uns das Zeitliche gesegnet hatte.
    Mein Körper fühlte sich steif an. Mir wurde klar, wie lange es her war, daß ich in einem Gymnasium trainiert hatte. Dann stürzte er sich auf mich.
     
    Der Kampf war verbissen. Er hatte nichts zu verlieren. Haß war sein einziger Ansporn; jetzt oder später sterben der einzig mögliche Preis.
    Eines war ziemlich klar: Die Garnison genoß Gladiatorenkämpfe. Das war viel besser als Komödie. Sie wußten, daß die Messer echt waren. Wenn einer was abbekam, würde kein Schildlausblut fließen.
    Jede Hoffnung darauf, daß der zuständige Offizier mir Männer zu Hilfe schicken würde, verflog rasch. An beiden Toren standen jetzt Männer mit Brustharnischen, doch nur, um besser sehen zu können. Sollte jemand aus der Theatertruppe zu meiner Unterstützung in die Arena wollen, würden die Soldaten ihn zurückhalten und das Aufrechterhaltung der Ordnung nennen. Ihr Kommandeur wußte genau, daß er den Aufruhr am besten dadurch vermied, den Zweikampf zuzulassen und dann entweder mich zu loben oder Grumio zu verhaften, je nachdem, wer von uns überlebte. Darauf hätte ich keine Wette abschließen mögen; der Kommandeur wahrscheinlich ebenso wenig. Außerdem war ich ein kaiserlicher Agent. Er würde von mir ein bestimmtes Maß an Kompetenz erwarten, und wenn ich die nicht aufbrachte, war es ihm vermutlich egal.
    Das Ganze begann sehr stilvoll. Hieb und Stoß. Parade und Gegenstoß. Tänzeln. Was in der Hitze des Gefechts schnell in die übliche Panik und Rangelei überging.
    Er überlistete mich. Ich floh wütend, rollte mich ab und warf mich vor seine Füße, als er auf mich zurannte. Er sprang über mich und duckte sich hinter dem Wäschekorb. Die Soldaten brüllten. Sie waren auf seiner Seite.
    Er war in Sicherheit. Ich mußte vorsichtiger sein.
    Ich packte die Geistermaske und warf sie nach ihm. Mit der Geschicklichkeit des Profijongleurs fing er sie auf und ließ sie wie einen Diskus gegen meine Kehle schnellen. Ich war nicht mehr da. Er wirbelte herum; glaubte, mich zu sehen; spürte, wie mein Messer ihm von hinten die Tunika aufschlitzte; konnte sich aber befreien.
    Ich setzte ihm nach. Er hielt mich mit einem Wirbelsturm schneller Messerhiebe auf. Irgendein Blödmann im Publikum jubelte ihm zu.
    Ich behielt einen kühlen Kopf. Die Rolle des Unbeliebten war nicht neu für mich. Ganz im Gegenteil. Sollte er doch denken, daß die Menge zu ihm hielt. Sollte er doch glauben, daß er den Kampf gewonnen hatte … Sollte er mir doch das Messer in die Schulter rammen, während mir mein Wallekostüm aus dem Gürtel rutschte, um die Füße schlabberte und mich zu Fall brachte.
    Ich arbeitete mich wieder hoch. Unbeholfen krabbelte ich auf den Weidenkorb zu, kletterte rittlings hinauf, ließ mich auf der anderen Seite runterplumpsen
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