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Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Titel: Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet
Autoren: Antje Herden
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wollten melden, dass ihre Eltern verschwunden sind. Die Beamten guckten uns erst an, als würden sie uns gar nicht sehen. Und dann sagten sie, wir sollten mal schön wieder nach Hause gehen. So viele Eltern könnten doch gar nicht einfach so verschwinden und vielleicht wäre irgendwo etwas Tolles los und die Eltern würden sich nur mal ohne ihre Kinder amüsieren. Das hätten sie sich verdient.«
    »Ist ja ein Ding«, sagte ich staunend, auch weil Sandro plötzlich nicht mehr stotterte.
    »Vielleicht sitzen sie alle in einem riesigen Zirkuszelt vor den Toren der Stadt und amüsieren sich prächtig bei Musik und Wein«, empörte sich die Prinzessin.
    »Oder sie sind ins Landschulheim gefahren«, meinte Sandro.
    »Das würde dann aber Landelternheim heißen«, sagte ich und plötzlich mussten wir drei wie verrückt lachen. Aber nicht lange.
    »Ich kann auch Miete zahlen«, sagte Sandro und zog zwei zerknitterte Geldscheine und einige Münzen aus seiner Hosentasche. »Ich habe mein Spa… Spa… Sparschwein geschlachtet.«
    Wir legten die Scheine und die Münzen in die alte Keksdose, in der wir auch das Geld aus meiner Spardose und das Ersparte der Prinzessin aufbewahrten. Für alle Fälle. Denn wir hatten das Gefühl, dass es noch einige Zeit dauern würde, bis alles wieder beim Alten war.
    So kam es, dass wir von da an zu dritt bei mir wohnten. Oma und Papa schienen das nicht zu bemerken, obwohl die Prinzessin immer wieder irgendwelche Dinge umstellte oder umsortierte und Sandro ständig durch den Flur flitzte. Papa kam nur noch selten aus seinem Zimmer heraus. Und wenn er sich blicken ließ, redete er nicht mit uns. Oma baute ihr Bügelbrett gar nicht mehr ab. Den ganzen Tag über zischte und dampfte es im Wohnzimmer. Oma bügelte und bügelte und pfiff die Schlager aus dem Radio mit. Dabei trank sie Kirschlikör. Am Nachmittag traf sie sich mit ihren Freundinnen. Wahrscheinlich gingen sie dann ins Café oder Restaurant, denn Oma aß nicht mehr zuhause. Am Abend häkelte sie neue Deckchen beim Fernsehen. So hatte sie auch immer wieder etwas Neues zum Bügeln. Manchmal schaute sie mich mit großen Augen an, als könnte sie sich nicht erinnern, wer ich war und was ich in ihrer Wohnung machte.
    »Hallo, Oma«, sagte ich dann und Oma fuhr mir über den Kopf. »Na, Junge, alles klar?«, fragte sie mich. Wenigstens nannte sie mich nicht mehr Kurtchen.
    »Alles klar, Oma«, antwortete ich und Oma nickte und wandte sich wieder ihren Dingen zu. Dass die Prinzessin und Sandro bei uns wohnten, schien ihr nichts auszumachen. Jedenfalls beschwerte sie sich nicht.
    »Bei Mama war es genauso«, erzählte Sandro. Er stotterte fast gar nicht mehr, seit er bei uns wohnte. Und er benutzte auch keine Zettel mehr, um aufzuschreiben, was er sagen wollte. »Am Anfang fand ich es ja noch toll, dass sie nicht mehr schimpfte. Ich habe den ganzen Tag ferngesehen und die Süßigkeitenschublade leer gegessen. Aber dann war es doch komisch, dass Mama einfach durch mich hindurchsah. Und schließlich kam sie nach der Arbeit nicht wieder nach Hause.«
    Die Prinzessin bürstete Sandros lange Haare, während er redete. Sandro gab sich sehr viel Mühe, ruhig auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Ich konnte aber sehen, dass ihm die Kämmerei furchtbar wehtat.
    Die Prinzessin achtete darauf, dass Sandro und ich immer ordentlich gewaschen und angezogen in die Schule gingen, dass wir unsere Hausaufgaben machten und nicht so viel fernsahen. Wobei das sowieso nicht so viel Spaß machte. Denn Oma erlaubte nicht, dass wir den Sender wechselten und was sie sich anschaute, war kein bisschen spannend. Außerdem hatte die Prinzessin am Tag ihres Einzugs mein Zimmer aufgeräumt. Und das war gar nicht einfach gewesen. Aber wir brauchten Platz auf dem Fußboden für ihren und später auch für Sandros Schlafsack. Deswegen musste meine Materialsammlung für den besten Computer der Welt verschwinden. Die Prinzessin hatte die Bügel mit meinen Hemden kurzerhand an die Deckenlampe gehängt und dann alles in meinen Kleiderschrank sortiert: die Prozessoren, die Motherboards, die verschiedenen Speicher- und Festplatten, unzählige Grafik- und Soundkarten, die Gehäuseteile und Laufwerke, 10 verschiedene Keyboards, 273 Computertasten, 3 Flachbildschirme und eine Menge Mäuse. Danach sah mein Zimmer gar nicht mehr aus wie mein Zimmer. Und mein Schrank erinnerte mich an diese lustigen Bilder, auf denen alles nach Formen und Farben sortiert ist.
    Ich sah der Prinzessin an, dass sie
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