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Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Titel: Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet
Autoren: Antje Herden
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im Hapkido-Training«, erklärte ich. »Und in den Kindergarten brauchte ich nicht zu gehen, weil meine Oma immer zuhause war.« Außerdem kostet es eine Menge Zeit, den besten Computer der Welt zu entwickeln. Das dachte ich aber nur und sagte es nicht. Die Prinzessin guckte mich mit dunklen Augen an, als hätte ich ihr etwas sehr Trauriges erzählt.
    Plötzlich klackte es und im Garten sprangen drei Rasensprenger an. Millionen Wassertropfen glitzerten in der Sonne. Alle liefen jubelnd auf den Rasen und tanzten wild um die Rasensprenger herum, die ihre Wasserfontänen über sie spritzten.
    »Sie haben sogar Duschen«, murmelte Sandro. Dabei klang er so, als säße ein Frosch in seinem Hals. Als wir nach Hause kamen, waren wir ziemlich bedrückt und hatten keine Lust auf Abendbrot.
    Zu später Stunde zogen wir noch einmal los. Überall in den Straßen brannten kleine Lagerfeuer. Darüber rösteten Jungen und Mädchen Würstchen und Marshmallows an Stöcken, sangen Lieder und erzählten sich Geschichten. Ab und zu konnte man die Kleineren weinen hören. Abends vermissten sie ihre Eltern, die ihnen sonst Gute-Nacht-Küsse gaben und vorlasen. Wir setzten uns an eines der Feuer. Ein Mädchen bot uns geröstete Marshmallows an und wir verbrannten uns die Zungen daran. Dann sang die Prinzessin ein Lied. Sie konnte einfach toll singen und alle hörten zu. Die Kinder klatschten in die Hände und bettelten um noch ein Lied. Die Prinzessin sang »Der Mond ist aufgegangen« und dann gingen wir wieder zurück in die Wohnung. Wir setzten uns ans Fenster und schauten in die warme Nacht hinaus.
    »Was ist denn da drüben los?«, fragte die Prinzessin und zeigte zur Wohnung gegenüber. Aus den geöffneten Fenstern drangen Musik, lautes Lachen und Gläserklirren.
    »Da wohnt die dicke Frau Conradi, die letztens in einem Ballettröckchen herumlief«, erklärte ich.
    »Na, die feiert ja eine wüste Party«, stellte Sandro fest.
    »Ich habe noch nie einen Gast bei Frau Conradi gesehen. Und nun feiern dort mindestens hundert Leute Karneval. Und das mitten im Sommer«, staunte ich. »Es ist eben gar nichts mehr so, wie es einmal war«, sagte die Prinzessin und schniefte noch einmal mit der Nase.
    Am Mittwoch vor vier Wochen ging noch etwa die Hälfte aller Kinder in die Schule. Obwohl eigentlich niemand mehr gemusst hätte. Kein Erwachsener, kein Vater, keine Mutter und auch kein Lehrer achtete darauf. Im Schulgebäude herrschte genauso ein buntes Chaos wie in den Straßen. Überall lagen Jacken, Hosen, Schuhe und Kuscheltiere, Spielsachen, Taschen und sogar Kissen und Schmusedecken. Dazwischen hüpften Hasen, Meerschweinchen und Hamster herum.
    Frau Müller hielt einen sehr merkwürdigen Unterricht ab. Sie kam in die Klasse, redete einfach drauflos und hörte bis zum Pausenklingeln nicht mehr auf. Meistens verstand ich überhaupt nicht, wovon sie eigentlich sprach. Sie selber schien allerdings von ihren Vorträgen ganz begeistert zu sein. Es nutzte auch nichts, ihr Fragen zu stellen. Sie beachtete uns einfach nicht. Manchmal sang sie auch einige Lieder zwischen ihren vielen Worten.
    Sandro ließ seinen Kopf hinter dem Haarvorhang hin und her wackeln. »Sie ist Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin in einem Theaterstück. Uns bleibt die Rolle des Publikums«, sagte er und hielt sein »Ich mag das nicht«-Schild hoch.
    Aber Frau Müller hörte und sah ihn nicht. Sie nannte uns »Meine verehrten Damen und Herren« und siezte uns. Dann passierte das mit ihrer Frisur.
    Es geschah am Donnerstagmorgen vor vier Wochen. Frau Müller kam in die Klasse und sagte »Guten Morgen, meine Damen und Herren«. Dann griff sie sich mit beiden Händen an den Kopf und setzte ihre Frisur ab.
    Die Mädchen schrien vor Schreck auf. Okay, wir Jungs schrien auch. Ich starrte auf die Frisur, die nun auf Frau Müllers Tisch lag und dann auf Frau Müller. Sie hatte also die ganze Zeit eine Perücke getragen! Darunter hatte sie ganz kurze, tomatenrote Haare. Es sah aus, als hätte sie eine rote Badekappe auf. Während wir sie alle anstarrten, tat Frau Müller so, als sei nichts geschehen. Sie hielt ungerührt ihren Vortrag und sang mit lauter Stimme zwei wilde Lieder. Dann ging sie aus dem Klassenzimmer und kam nicht mehr wieder. Auch die anderen Lehrer, die Sekretärin, der Direktor, der Hausmeister und Fräulein Liebig aus dem Sanitätszimmer waren plötzlich verschwunden.
    Wir schauten jeden Tag die Fernsehnachrichten und lasen die Zeitung von Herrn Wächter,
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