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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River
Autoren: John Irving
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Dominic hatte die beiden Gasherde in der Küche eingeschaltet, den einen auf 175, den anderen auf 220 Grad, und vor dem Schlafengehen noch die trockenen Zutaten für die Scones, die Maismuffins und das Bananenbrot vorbereitet. Seine Armen Ritter (aus Bananenbrotscheiben) waren beliebt, und morgens machte er die Pfannkuchen immer frisch; wegen der rohen Eier bewahrte Dominic den Pfannkuchenteig nie länger als zwei Tage im Kühlschrank auf. Auch die Buttermilchbrötchen machte er fast jeden Morgen frisch und backte sie in dem auf 220 Grad vorgeheizten Herd.
    Gewöhnlich war es Dannys Aufgabe, vor dem Zubettgehen die Kartoffeln zu schälen, zu würfeln und über Nacht in Salzwasser einzuweichen. Am nächsten Morgen röstete sein Dad sie dann zusammen mit dem Schinkenspeck auf dem Backblech. In dem alten Garland-Herd befand sich das Backblech über dem Grillrost, in Augenhöhe des Kochs. Obwohl er einen langstieligen Pfannenwender benutzte und sich entweder auf die Zehenspitzen oder auf einen kleinen Hocker stellte (beides nicht leicht für einen Koch mit schiefem Fuß), verbrannte sich Dominic häufig den Unterarm, wenn er in den hinteren Teil des Blechs langte. (Manchmal löste Indianer-Jane den Koch am Backblech ab, weil sie größer war und längere Arme hatte.)
    Es war noch dunkel, wenn Dominic aufstand, um zu backen und den Schinkenspeck zu braten, und es war auch dunkel, wenn Danny im ersten Stock des Kochhauses aufwachte, weil es nach Schinkenspeck und Kaffee duftete, und es war
immer noch
dunkel, wenn die Küchenhilfen und die Tellerwäscherin aus dem Ort in ihren Wagen eintrafen; zuerst hörte man immer die Motoren, Sekundenbruchteile später tauchten die Scheinwerfer auf. Morgens war der Grillrost des Garland meist glühend heiß, damit der Käse auf den Omeletts schmolz. Bevor Danny zur Schule ging, musste er noch die Paprikas und Tomaten für die Omeletts schneiden und die große Kasserolle mit Ahornsirup hinten auf den achtflammigen Herd stellen.
    Die Außentür zur Küche ließ sich nicht richtig öffnen und schließen; sie hing so locker, dass sie im Wind klapperte. Die Fliegengittertür ging nach innen auf, was auch auf die Liste der Dinge gehörte, die Danny Baciagalupo beunruhigten. Aus verschiedenen praktischen Gründen wäre es besser gewesen, wenn die Tür nach außen aufgegangen wäre. In der Küche war immer so viel los, dass man keine Tür brauchte, die einem im Weg war - aber einmal, vor langer Zeit, war ein Bär in die Küche des Kochhauses eingedrungen. Es war ein lauer Abend gewesen - die defekte Außentür hatte offen gestanden -, und der Bär hatte die Gittertür einfach mit dem Kopf aufgestoßen und war ins Haus marschiert.
    Danny war noch ganz klein gewesen und konnte sich nicht an den Bären erinnern, doch sein Vater musste ihm die Geschichte immer wieder erzählen. An jenem Tag hatte Dannys Mutter den Jungen schon längst zu Bett gebracht. Als der Bär hereinkam, saßen Dannys Eltern gerade bei einem späten Snack: Champignon-Omelett und dazu ein Glas Weißwein. Als er noch Alkohol getrunken habe (erklärte Dominic seinem Sohn), habe er häufig nachts Lust auf einen Imbiss gehabt. (Jetzt nicht mehr.)
    Als Dannys Mutter den Bären sah, schrie sie laut auf. Worauf der Bär sich auf die Hinterbeine stellte und sie aus zusammengekniffenen Augen ansah. Dominic jedoch hatte eine ganze Menge Wein getrunken und zunächst nicht gemerkt, dass es ein Bär war. Offenbar hielt er den Eindringling für einen haarigen, betrunkenen Holzfäller, der seine schöne Frau angreifen wollte.
    Auf dem Herd stand eine gusseiserne Bratpfanne von zwanzig Zentimeter Durchmesser, in der der Koch eben die Champignons für das Omelett angeschwitzt hatte. Dominic nahm die noch warme Pfanne und schlug sie dem Bären ins Gesicht - hauptsächlich auf die Nase, aber auch auf die breite, platte Nasenwurzel zwischen den kleinen, blinzelnden Bärenaugen. Der Bär ließ sich auf alle viere fallen und entfloh durch die Küchentür. Nur das zerrissene Fliegengitter und zerbrochene Holzlatten blieben im Türrahmen zurück.
    Jedes Mal, wenn der Koch diese Geschichte erzählte, sagte er zum Schluss: »Tja, natürlich musste die Tür repariert werden, aber sie geht immer noch in die falsche Richtung auf.« Und wenn Dominic die Geschichte seinem Sohn erzählte, fügte er meist hinzu: »Einen Bären hätte ich nie mit einer gusseisernen Bratpfanne geschlagen - ich hielt ihn für einen
Mann!«
    »Aber was hättest du mit einem Bären
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