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Letzte Ausfahrt Oxford

Letzte Ausfahrt Oxford

Titel: Letzte Ausfahrt Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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Treppenhaus war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und daher angenehm mit solidem Mauerwerk umgeben. Kate sah sich in der Lage, immer zwei Stufen gleichzeitig zu nehmen, ohne die Suche nach einer rettenden Tür zu vernachlässigen.
    Aber sie fand keine Tür. Endlich kam sie in der Etage an, die sie aufgrund des Betonbodens als Erdgeschoss identifizierte. Dort war eine Tür, und sie war verschlossen. Liam hatte ihr gesagt, dass sie es wäre. Aber rechts an einem Haken hing ein Schlüssel. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, falls einmal ein höherer Angestellter von einem übereifrigen Portier eingeschlossen werden sollte. Kate gedachte dankbar Kevin Newtons vorausschauender Spinnenmentalität und schloss auf.
    Tabbots Füße donnerten bereits die Wendeltreppe hinunter. Er brüllte unverständliche Laute. Kate ließ den Schlüssel einfach stecken und flitzte hinaus. Vor Angst und Erschöpfung klopfte ihr Herz bis zum Hals. Sie hatte den Eindruck, ihr Gehirn arbeite mindestens fünfmal schneller als normal. Sie rannte über den Springbrunnenhof auf die Eingangstür der Bibliothek zu.
    Als sie sie aufriss, hörte sie eine ruhige Stimme: »Ich hatte Francis gebeten, Sie zur Tür zu begleiten. Eine derart athletische Darbietung hatte ich nicht erwartet. Aber das spielt nun keine Rolle mehr – wichtig ist nur, dass Sie da sind.«
    Vivian Moffatt. Kates Gehirn weigerte sich, weiterzuarbeiten.
    Er packte ihren Arm kurz über dem Ellbogen. Ein dunkelgrüner Overall verbarg seine Gestalt; seine Hände steckten in dünnen Gummihandschuhen. Sein Griff war schmerzlich hart. Er hielt sie so nah an sich gepresst, dass er ihren rasenden Puls fühlen und den Schweiß sehen musste, der über ihre Stirn rann.
    »Haben Sie Ihren Wagen draußen?« Sein Dau­men drückte sich schmerzhaft in ihren Oberarm.
    »Lassen Sie mich los!«
    Eine Sekunde lang blieb er im Schatten eines Torbogens stehen und zeigte ihr seine rechte Hand. Sie umklammerte ein Messer. Eines von jenen Messern, die sie zu Hause benutzte, um Fleisch in dünne Streifen zu schneiden.
    »Eigentlich mag ich keine Messer, aber ich fürchte, mir bleibt nichts anderes übrig. Und jetzt vorwärts.«
    Sie überquerten den Innenhof und erreichten die Pförtnerloge. »Ich habe gefragt, wo Ihr Wagen steht.«
    Angesichts eines Messers argumentierte sie nicht. »Auf dem Parkplatz in der Parks Road.« Sie klangen beide fast normal.
    Kate sah sich nach Liam um. Selbst Francis Tabbot hätte sie in diesem Augenblick als Verbündeten akzeptiert. Aber sie konnte niemanden entdecken. Am helllichten Tag mitten aus einem Oxforder College entführt zu werden – das war doch wohl nicht möglich!
    War dieser Mann tatsächlich Vivian Moffatt? Kate hatte nicht gewagt, ihn zu fragen. Vielleicht ahnte er nicht, dass sie ihn zu erkennen glaubte. Ich kenne das Kind, das du einst warst, dachte sie, und ich kenne den Mann, der du geworden bist. Wenn du zu sprechen beginnst, werde ich wissen, ob du es bist.
    Vor Kates cremefarbenem Peugeot blieben sie stehen.
    »Geben Sie mir die Schlüssel.«
    Er ließ sie auf der Beifahrerseite einsteigen und zum Fahrersitz durchrutschen. Das Messer blieb ihr gefährlich nah.
    »Und jetzt fahren Sie los.«
    »Wohin?«
    »Sie halten doch heute Abend einen Schreibkurs ab, nicht wahr? Fahren Sie also zum Kennedy House.«
    Vielleicht würde ja doch noch alles gut werden. Vielleicht würde er sie gehen lassen. Langsam fuhr sie die Parks Road entlang und bog rechts in die Banbury Road ab. Ihre Knie schlotterten. Selbst ihr Fuß zitterte auf der Kupplung, als sie versuchte, einen höheren Gang einzulegen. Das Schalten misslang mit lautstarkem Krachen. Andere Verkehrsteilnehmer blickten ihr amüsiert nach.
    Sie spürte die Messerspitze in dem weichen Zwischenraum zwischen zwei Rippen.
    »Würgen Sie bloß den Motor nicht ab. Das wäre ziemlich dumm von Ihnen.«
    »Ich fahre nun einmal nicht gut, wenn ich nervös bin.«
    »Ich habe Sie beobachtet. Sie fahren nie besonders gut.«
    Kate bog nach links ab. Die Abendsonne verwandelte die Kupferglasfenster von Kennedy House in geschmolzenes Gold.
    »Fahren Sie da rein«, befahl Vivian Moffatt und zeigte auf eine Parklücke am Ende des Parkplatzes.
    Als sie den Motor stoppte, hörte sie die Alarmanlage eines großen blauen Wagens einsam in den ruhigen Abend schrillen.
    »Der Alarm hätte eigentlich repariert werden sollen«, sagte der Mann neben ihr. »Doch man hat mir erklärt, dass die Autodiebe sich im Augenblick auf Montegos
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