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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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eigener Herr war. Ernsthaft dachte ich daran, mich der Berliner Kripo anzuvertrauen, da mir meine Erlebnisse plötzlich mysteriös vorkamen.
    »Junger Mann«, sagte ich entschlossen, »ich bin Oberstudienrat, fünfzig Jahre alt und habe mein Leben bisher noch immer selbst bestimmt. Krumme Touren liegen mir nicht.«
    Ich spürte, wie sich mein Inneres einer Explosion näherte und ich dabei war, im blinden Hass dem jungen Mann an die Gurgel zu fahren, um ihm die Adresse meiner Tochter zu entlocken. Mit ausgebreiteten Armen näherte ich mich ihm drohend.
    »Lassen Sie das!«, forderte mich ein Mann auf. Seine Stimme drang zu mir mit dem Klappern einer Tür.
    Ich wusste nicht, ob es die Küche war oder das Bad, aus der er gekommen war.
    »Ihr Foto ist bereits entwickelt, Ihr Auto präpariert, und man würde Sie noch vor Helmstedt in einen Unfall verwickeln. Sie sollten dankbar sein, wenn wir Ihnen eine Chance zum Überleben bieten«, sagte er.
    Das also war die neue Situation! In Sekundenschnelle begriff ich, dass ich als Lehrer vom Land hier in Berlin zwischen zwei Gangstern stand. Und wenn ich richtig zugehört hatte, versuchten Mai und sein Kumpan mich vor einem schlimmen Schicksal zu bewahren.
    Irgendwie lief die Angst ins Leere. Mein Leben war mir nicht wichtig. Inga steckte tief in einer Sache, die ich nicht ergründen konnte. Meiner Tochter galt mein Kampf und auch meine Existenz.
    Ich schaute auf den Lauf einer Pistole, sah den kräftigen Mann, der, als hätte er sich tarnen wollen, grün gekleidet war.
    Wie ein Jäger in Lederkniebundhose näherte er sich mir langsam. Sein Bart machte sein Gesicht alltäglich.
    »Wenn ich nicht wüsste, dass es auch zum Wohle Ihrer Tochter geschehen würde und nicht darum, Ihr geschätztes Pädagogendasein zu verlängern, dann ließe ich Sie laufen. Dabei wäre es mir gleichgültig, ob man Sie tot aus einem Fluss fischen oder verbrannt in einem Autowrack finden würde«, sagte er, und seine Augen lächelten mich an, als handelte es sich um einen billigen Scherz.
    »Hören Sie«, stotterte ich, »Sie müssen mich verwechseln. Ich heiße Udendorf, bin ein simpler Lehrer aus Norden und suche meine Tochter.«
    »Beruhige dich, Pauker, das ist gebongt. Wir wollen nur dein Bestes. Kennst du außer Elisabeth und Harald noch irgendwen in Berlin?«, fragte der Mann, ohne die Pistole abzulegen.
    Ich zuckte zusammen. Der Bärtige wusste viel.
    »Ja«, antwortete ich. Mir fiel mein Freund Werner Selter ein. Wir hatten gemeinsam die Schulbank gedrückt, einige Semester an derselben Universität studiert und uns aus den Augen verloren. Doch nach vielen Jahren war er nach Hause gekommen, besaß eine Professur für Mathematik an der Berliner Universität und lebte während der Semesterferien in seinem heimatlichen Ostfriesland.
    »Ein Freund ist Professor an der Uni«, sagte ich.
    »Gut, das geht in Ordnung, wir rufen ihn an«, sagte Fedor Mai.
    »Versuchen Sie bei ihm unterzutauchen«, fügte der Bärtige hinzu, ohne bedrohlich oder gehässig zu wirken. »Aber bringen Sie Ihren Freund nicht in Lebensgefahr, indem Sie sich bei ihm zu gesprächig erweisen. Sie erhalten unsere Instruktionen telefonisch. Ihr Horoskop sagt Ihnen eine weite Reise voraus, Doktor Udendorf. Fahrkarte und Reisetasche stellen wir Ihnen zu.«
    Ich war fix und fertig. Was sollte ich den beiden entgegnen? Die Machtlosigkeit und die Angst um Inga machten mich gefügig.
    In mir meldete sich der Instinkt. Alles deutete darauf hin, dass ich meine Freiheit wiedergewinnen würde und Inga treffen konnte, wenn ich das tat, was sie von mir verlangten.
    Ich unterschrieb ein Blankopapier und ließ es zu, dass sie meine Reisepassnummer auf den Schrieb setzten.
    Der falsche Jäger steckte die Pistole ein, klopfte mir auf die Schulter und sagte: »Bravo, Herr Oberstudienrat. Sie stehen ab nun auf unserer Seite und helfen Ihrer Tochter. Kommen Sie mit.«
    Ich folgte ihnen, muss allerdings zugeben, dass ich jedem gefolgt wäre, denn ich war demoralisiert und verstand die Welt nicht mehr.
    Fedor Mai verließ uns an der Haustür. Auf der Straße stand ein Taxi. Es war ein Audi A6 ohne Fahrer.
    Der Lederhosenmann öffnete die Autotür, ließ mich einsteigen, setzte sich ans Steuer und fuhr los.
    Erst am Hauptbahnhof hielt er an. Er begleitete mich zu einer Telefonzelle und forderte mich auf, mich bei Werner Selter persönlich anzumelden, da er wisse, dass der Professor zu Hause sei.
    Mein Schulfreund war fast außer sich vor Freude, nannte
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