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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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aber keinen mit Vornamen Fedor. Mir war klar, dass dieser Mann meine erste Anlaufstation sein musste. Ich entschloss mich, vorsichtig zu Werke zu gehen, denn der Abschied vom barbusigen Engel gab mir jetzt zu denken, wo ich ausgeruht beim Frühstück saß und meine Kraft zurückfand.
    Hatte ich die Aufmerksamkeit irgendeines Fotografen auf mich gelenkt, oder hatte er sich wirklich nur für die Stars des Nachbartisches interessiert?
    Sicher war ich in diesem Prominentenlokal manchem Anwesenden aufgefallen, nicht so sehr durch mein Äußeres, mehr noch durch meine Befangenheit im Umgang mit Menschen dieser Kategorie. Ich hatte mich zwar bemüht, weltmännisch zu wirken, doch das konnte mir auf Anhieb danebengegangen sein.
    Amsterdam, Athen oder Istanbul hatte die Schönheit mir ins Ohr geflüstert.
    Ich traute es Inga durchaus zu, ohne mich zu benachrichtigen, eine Reise nach Griechenland oder in die Türkei anzutreten, wenn ihr Freund über das nötige Geld verfügte.
    Sie studierte schließlich Journalismus, um später was von der Welt zu sehen. Diese Version passte auch zu den Aussagen Elisabeths, die meine Tochter im Porsche sitzend übersehen haben musste.
    Aber, durchfuhr mich ein quälender Gedanke, warum hatte das Animiermädchen sich so geheimnisvoll benommen? Selbst wenn sich Inga im Dallas Palace verdingt hatte, um schnelles Geld zu verdienen, wäre das kein Grund, mich, ihren Vater, für einen Bullen zu halten.
    Mich packte erneut die Angst um meine Tochter. Ich verließ den Frühstücksraum und betrat die sonnenüberflutete Straße.
    Mein Auto stand unbeschädigt auf dem schattigen Platz. Hier sollte es auch bleiben, entschied ich mich, mischte mich unter die Menschen und suchte einen Taxistand.
    »Benthausstraße 11a«, sagte ich und setzte mich in den Mercedes.
     
    Durch die Scheiben des Wagens beobachtete ich, wie wir das feine vornehme Berlin verließen und das Taxi sich regelrecht in die Viertel wühlte, von denen keine Prospekte berichten, die aber den Beamten der Polizei und des Sozialamtes die Arbeitsplätze sicherten.
    Meine Großstadterinnerungen lagen weit zurück. In Ostfriesland geboren, von Luft, Meer und Grün verwöhnt, Eigenheimbesitzer, hatte ich die Bilder der Universitätsstädte Hamburg und Köln verdrängt, sie wegen des erfolgreichen Studiums nur als schöne Orte im Gedächtnis gespeichert.
    Urlaubsfahrten durch Brüssel, Paris, Madrid, Rom, Stockholm, Oslo, Helsinki, Prag, Budapest, Kopenhagen, Amsterdam, Athen und Belgrad waren den Straßenplänen für Touristen entnommen und hatten mich nur zu den Sehenswürdigkeiten und Fotoobjekten geführt.
    Die verwohnten Hochhäuser stießen mich ab. Die hässlichen Fassaden mit grauem, abbröckelndem Putz wirkten auf mich wie verdorbene Brotscheiben mit Schimmel. Hübsche dunkelhaarige Gastarbeiterkinder spielten im Schatten krüppeliger Bäume vor hässlichen Steinwänden.
    Als das Taxi hielt, zahlte ich, überließ dem Fahrer wieder das Wechselgeld und schaute mich um.
    Mir gegenüber stand das Haus 11a. Wie aufgeklebte Flecken saßen die Fenster im Mauerwerk, während mir auf der anderen Seite eine Straße den Blick in die Hinterhöfe öffnete und bunte Wäsche wie Fahnenschmuck von Balkonen grüßte.
    Misstrauisch überquerte ich den Bürgersteig, stieg die wenigen Stufen hoch und entdeckte im zerflatterten Klingelknopfquadrat den Namen Fedor Mai. Ich drückte den Knopf und wartete.
    Die Eisentür mit Milchglasfüllung sprang auf. Ein dunkler, hässlicher Steinflur mit beschmutzten Wänden lag vor mir.
    Ein junger Mann in Jeans und Unterhemd hielt eine Tür geöffnet und blickte mich an, als wisse er nichts mit seinem Besucher anzufangen. Seine Augen waren eingefallen, sein Gesicht bleich und sein Körper knochig und dürr.
    »Wer sind Sie?«, fragte er, und ich sah, dass er barfuß war.
    »Mich schickt ein Engel«, sagte ich und versuchte ihn mit einem freundlichen Lächeln für mich zu gewinnen.
    »Engel betreten solche Häuser nicht, Mann. Los, was wollen Sie?« Sein Gesicht und seine Haltung verrieten mir, dass er wenig Geduld besaß.
    Wie sollte ich seine Frage beantworten? Schlagartig begriff ich, dass es nicht angebracht war, ihm Lügen aufzutischen. Deshalb antwortete ich: »Ich bin ein Vater, der seine Tochter sucht, weil er sich Sorgen macht.«
    Der junge Mann verzog keine Miene.
    »Gehen Sie hinein!«, forderte er mich auf und wies auf die Tür, die er mir überließ, weil er eiligen Schrittes zur Haustür lief, um sich dort
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