Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Aufzeichnungen

Letzte Aufzeichnungen

Titel: Letzte Aufzeichnungen
Autoren: Erich Honecker
Vom Netzwerk:
Rückwirkungsverbot, worauf sie sich sonst berufen. Ihre Staatsdiener sollen nicht fürchten müssen, später für ihr Tun bestraft zu werden. Für sie gilt heute das Gebot der Rache. Die Grenze zwischen der DDR und der BRD war keine innerdeutsche, sondern eine Staatsgrenze von der gleichen Qualität wie etwa die zwischen der BRD und Luxemburg. Das hat der Bundestag bei der Ratifizierung des Moskauer Vertrages von 1970 bestätigt.
    Warum jetzt die Umstülpung allen Rechts? Zuerst wurde es bei den Grenzsoldaten demonstriert, musste man auch, man wollte ja den Prozess gegen uns vorbereiten. Dann die Verhaftungen ganz oben.
    Soeben kam im Rundfunk eine Meldung meines Töchterchens Erika 89 . Ein tapferes Mädchen. Für sie sei es selbstverständlich, dass ihr Vater im Falle einer Haftverschonung bei ihr wohnen könne, hat sie erklärt. Ja, so ist es mit den Honeckers, sie stehen füreinander ein, sie halten zusammen.
    Es ist bereits Abend. Ich will versuchen, noch einige Zeilen zu schreiben.
    Heute kam zuerst Rechtsanwalt Becker, zum Schluss noch Rechtsanwalt Ziegler. Herr Becker informierte mich kurz. Auch über die Telefongespräche mit Dir, Margot. Bitte beunruhige Dich nicht, was bestimmt schwerfällt. Ich denke, dass darauf auch meine Kreislaufbeschwerden zurückzuführen sind. Bitten möchte ich Dich in jedem Falle, nicht hierher in die Hölle zu kommen. Nein, mein Liebes, dazu bist Du mir als Frau und Genossin zu teuer.
    Heute habe ich Becker die Seiten in der
Bild
gezeigt, die uns beiden und unserer Erika gewidmet sind. Man kann daraus entnehmen, dass sie auch Erika die Tür einrennen und das Büro, das sie mit einer anderen Rechtsanwältin im Zentrum hat. Nun, Erika hat ihnen die entsprechende Antwort erteilt und Anzeige erstattet.
    Hier ist allerhand los. Da ich informiert bin, dass Du den Text der Stellungnahme der Rechtsanwälte hast, kannst Du Dir das erklären. Es ist gut, dass die Anwälte das Material von der Botnik-Klinik und den 19 Ärzten haben. Die Professoren haben als Diener ihres Herren, was man ja nicht tun soll, gelogen. Schande über sie. Auf meine Kosten, auf Kosten unserer Sache haben sie die Wahrheit gebeugt. Es ist gut, dass das jetzt geklärt ist.
    Heute hat Althaus 90 eine Erklärung dazu abgegeben.
    Nun, Margot, es ist wirklich schwer, das zu schreiben, es ist aber so, diesen Fragen, die sich daraus ergeben, kann man nun nicht ausweichen.
    Da ich heute zum Zahnarzt musste, kommen morgen die Rechtsanwälte wieder.
    Ach so, ich hätte es bald vergessen. Pjotr Abrassimow 91 hat ein Interview gegeben. Ich war schon misstrauisch, weil es in der
Iswestija
erschien. Er hat geschickt und ausweichend geantwortet – obwohl er weiß, dass der Preis für die DDR in Moskau und Bonn immer diskutiert wurde – von Stalin und Chruschtschow, aber auch von Breshnew, Andropow und Tschernenko. Sie haben aber zur DDR gestanden, weil sie wussten, was der Sozialismus und die Sowjetunion an der DDR hatten. Nur Berija und Gorbatschow waren bereit, die DDR zu verkaufen. Fred Oelßner 92 hat 1953 davon berichtet, und Gorbatschows Perestroika und die Folgen hat jetzt die ganze Welt erlebt. Ich bin gespannt, ob er die Frechheit besitzt, die »Ehrenbürgerwürde der Bundeshauptstadt« entgegenzunehmen.
    Ich muss jetzt Schluss machen, weil man es sonst nicht lesen kann.

18. August
    Zum ersten Mal bin ich im Nachtrab, das heißt, ich muss das Wichtigste zusammenfassen, was sich so am Tag ereignete.
    Dein Brüderchen, Margot, mit Schwägerin 93 war eine Stunde hier mit vielen Neuigkeiten. Das Wichtigste, wenn man das in der Situation sagen kann, waren Deine Telefongespräche mit ihm, Deine lieben Grüße, die Grüße von Sonja und Familie haben mich erfreut und beruhigt.
    Ich bin froh, dass es Dir leidlich gut geht. Ich meine gesundheitlich, das ist für mich die entscheidende Frage. An den anderen Fragen kann man wenig ändern, man muss sehen, wie man damit fertig wird. Dabei kann ich noch nicht einmal sagen: Mach Dir keine Sorgen.
    Die
FAZ
bringt heute ziemlich Objektives, die ganze Geschichte seit dem 13. März 1991, als wir nach Moskau flogen. Die Post kommt aus aller Welt. Die koreanische Botschaft hat die Einladung erneuert. Briefe kamen aus Frankreich, England, Schweden und den USA. Von denen aus Deutschland will ich gar nicht reden. Heute bekam ich neben der
UZ
auch das
ND
. Du kannst Dir vorstellen, dass ich gut informiert bin. Ich werde selbstverständlich, solange ich kann, meine Aufgabe erfüllen.
    In
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher