Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Aufzeichnungen

Letzte Aufzeichnungen

Titel: Letzte Aufzeichnungen
Autoren: Erich Honecker
Vom Netzwerk:
machten beide deutlich. Das jedoch – davon bin ich in meiner Moabiter Zelle überzeugt – wird ihnen nicht gelingen.
    Draußen fällt ab und zu Regen, das ist eine Erleichterung nach der Hitze von fast 40 Grad.
    21.13 Uhr: Ich muss noch schnell aufschreiben, dass die Rechtsanwälte Becker und Ziegler hier waren. Es wurde alles besprochen, über das man nach dem jetzigen Stand reden kann und muss. Zuerst hat Herr Becker mich über Dich informiert. Es ist gut, dass Du Dich jetzt etwas zurücknimmst, ich möchte nicht, dass Deine Gesundheit durch die Sorge um mich zusätzlich belastet wird. Du hast seit 1989 selbst genug durchgemacht, Du darfst Dir das nicht noch zusätzlich aufbürden. Ich hoffe, dass Du Dir keine allzu großen Sorgen machst.

    In Honeckers Nachlass befinden sich fünf FDGB-Mitgliedsausweise, dies ist der letzte, ausgestellt 1979
    Herr Ziegler brachte mir von Dr. Wolff eine gute Nachricht, ich kann Dir etwas Geld senden. Ich habe Geld übrig, weil ich keins benötige. Gestern kamen 200 DM von einem antifaschistischen Widerstandskämpfer aus München, Eva 65 hat auch an mich gedacht – es denken viele an mich.
    Alle drei Rechtsanwälte haben sich mit dem medizinischen Befund beschäftigt. Wir stimmen da überein.
    Zeitungen bekomme ich auch laufend, so dass ich im Bilde bin über das, was draußen passiert. Ich hoffe sehr, dass ich in der Lage bin, unsere Sache, die Sache der Republik, zu vertreten. Das sehe ich als meine letzte Aufgabe an.

    Honeckers letzter Gewerkschaftsausweis. Bis November 1989 ist »geklebt«, d. h. er zahlte monatlich 35 Mark Mitgliedsbeitrag und entrichtete 50 Mark für die Solidarität. Im hinteren Teil finden sich weitere Spendenmarken

16. August
    In dieser Nacht habe ich gut geschlafen. Ich sehe die Welt etwas besser. An den letzten drei Tagen war mir so, als müsste ich von Euch Abschied nehmen, ohne Euch wieder zu treffen, ohne Euch adieu gesagt zu haben. Aber adieu, liebe Margot, habe ich Dir ja schon in Moskau in der Botschaft gesagt.
    Das Herz rast nicht mehr so, Blutdruck 90/140 – Puls, kaum zu glauben, 70. Man wird sehen, was der Tag bringt. Gestern Abend kam noch ein Arzt. Die Ursache meiner inneren Unruhe war für ihn nicht zu erkennen. Es gibt da viele Möglichkeiten. Der Wetterumsturz, Kaffee, die Mitteilung über meine Leber? Ich weiß es nicht, er konnte es auch nicht sagen. Das Wasser in den Beinen ist zurückgegangen. Die Beine sind wieder normal, ich werde die Pillen mal nicht nehmen.

    Die JVA Berlin-Moabit
    Im Rundfunk gibt es viele Meldungen. Alle stützen sich auf den
Spiegel
. 88 Der Sprecher der Berliner Justiz zeigt sich angeblich nicht informiert über meinen Gesundheitszustand. Vorhin brachten sie in den Nachrichten eine Meldung aus Santiago, dass die Sozialisten dort nach einem Weg suchten, wie ich hier chilenischer Staatsangehöriger werden könnte. Bin gespannt, wie das weitergehen wird.
    Es ist Abend, ein sonderbares Gefühl. Der Kreislauf hat sich offensichtlich stabilisiert. 70/120, 80/130, 70/120. Puls 84. Der heutige Tag war also eine reine Erholung. Gestern habe ich nachts nur gelesen.
    Für heute muss ich Schluss machen. Ich sehe es an der Schrift.

17. August
    Heute früh geht es mit dem Schreiben etwas besser. Das hängt wohl doch mit den Nerven zusammen. Der Blutdruck macht, was er will. Gestern Abend ganz gut. Heute früh wieder anders, aber nicht schlecht: 90/160, Puls 70.
    Wenn man nachdenkt, was sich jetzt vollzieht … Was sich die bundesdeutsche Justiz alles herausnimmt. Sagenhaft. Versteht sich aber rechtsstaatlich. Die DDR gehörte nie zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der BRD. Was nun? Sie haben die DDR nicht nur mit ihrer Besserwisserei überfallen, sondern auch mit ihrer Justiz. Und urteilen über Sachen, die vor dem Anschluss passiert sind, von denen sie nichts verstehen.
    Ich habe an der Saar für den Sturz der Hitlerregierung gekämpft. Niemand kann das leugnen. Es steht sogar in bürgerlichen Blättern der damaligen Zeit. Deswegen hat der II. Senat des Volksgerichtshofes mich zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Wir waren wirkliche Feinde der Nazis. Aber, und das hatte man bereits in der Vernehmung gesagt: Für Taten gegen die Nazis vor dem Anschluss der Saar ans Reich gab es keine gesetzliche Grundlage, die sie hätten geltend machen können. Es ging um meine Handlungen gegen das Hitlerreich nach dem Beitritt.
    Aber die BRD, diesen Rechtsstaat, interessiert das in Bezug auf die DDR nicht. Da kennt man kein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher