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Letzte Aufzeichnungen

Letzte Aufzeichnungen

Titel: Letzte Aufzeichnungen
Autoren: Erich Honecker
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natürlich gegen mich, Stoph, Mielke. Es gäbe einen Beschluss über eine »Hinrichtung«. Ich kann mich beim besten Willen nicht entsinnen. Sie fabrizieren eine Lüge nach der anderen.
    Es soll in der DDR so gewesen sein, wie heute ihre Regenbogenpresse die Geschichte malt. Aber nicht nur die. Andere machen es nur viel feiner. Ich bin gespannt, ob einige Herrn aus dem Westen den Mut aufbringen zu sagen: So war es nicht! In der Hetze gegen die DDR und ihre Führung gehen sie sogar so weit, uns auf die Ebene der braunen Mörder zu heben. So sollen offenbar die Verbrechen des Hitlerreiches vergessen gemacht werden, die Barbarei gegen das eigene Volk, der brutale Mord an den jüdischen Mitbürgern, der Zweite Weltkrieg, der über 50 Millionen Menschen das Leben kostete.
    Wir wollen die Nazis stürzen, damit Deutschland lebt. Das schreibe ich nicht erst heute in dieser dunklen Stunde, in einer Zelle, das verbreitete ich bereits in den Jahren 1933 bis 1935, als wir unter der Losung »Schlagt Hitler an der Saar« eine breite Volksfront aufbauten, um ihm eine Niederlage zu bereiten. 61 Aber die verführte Masse wählte Hitler, viereinhalb Jahre später begann der Zweite Weltkrieg. Sie hörten nicht auf den Vortrupp, auf die Antifaschisten, die Kriegsgegner. Soll sich das wiederholen?
    Ich vernehme heute die Parolen und Kampflieder der Neonazis. Man sagt, das sei eine kleine Minderheit, harmlose Idioten, man habe alles unter Kontrolle. Hitler und seine Anhänger begannen auch als eine kleine Minderheit – aber 1933 war er Kanzler und seine Minderheit Regierungspartei.
    Zwanzig Jahre nach dem Saarentscheid, 1955/56, studierte ich intensiv in Moskau. 62 Das Studium stützte sich auf die Klassiker des Marxismus-Leninismus. Wir beschäftigten uns mit der politischen Ökonomie des Imperialismus und des Sozialismus, dem Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion und anderen Ländern sowie mit der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Das alles vollzog sich – im Gegensatz zu 1930/31 63 – ohne Verbindung nach draußen, zur Praxis des Sozialismus. Wir hatten keine Verbindung zu Industriebetrieben, keine zu Kolchosen oder Sowchosen, keine engen Beziehungen zum gesellschaftlichen Leben. Wir nahmen nur die Oberfläche wahr.

    Nach dem Saarentscheid setzte sich Honecker in die Niederlande ab und bekam in Amsterdam diesen Pass
    Dennoch spürten wir, dass die Gesellschaft sich veränderte und große Veränderungen sich andeuteten. Chruschtschows Paukenschlag auf dem XX. Parteitag stürzte die KPdSU von einem zum anderen Tag, sozusagen über Nacht, in eine instabile Lage. 64 Der Boden, auf dem bis dahin die Sowjetunion stand, begann zu wanken. Dies wirkte sich auf die DDR aus. Ich fühlte mich zerrissen, als ich an der 3. Parteikonferenz der SED teilnahm, zu der ich im März 1956 nach Berlin gereist war. Walter Ulbricht kritisierte die »jungen Genossen«, die bestimmte Dogmen und die Biografie des Genossen Stalin auswendig gelernt hätten und besser beherrschten als das ganze Politbüro. Willi Bredel hingegen bekam viel Beifall, weil er die Jugend, die daran doch schuldlos war, verteidigte und zugleich klarmachte, warum J. W. Stalin kein Klassiker mehr sein durfte. Walter, der sich den kritischen Fragen stellte, räumte ein: »Ich glaube, Genossen, wir haben in den letzten Jahren alle Fehler gemacht.«
    Die Auseinandersetzungen an der Parteihochschule in Moskau spitzten sich zu. Ein Philosophieprofessor erklärte beispielsweise: »Jetzt haben auch wir einen Hitler – nämlich Stalin.« Das war starker Tobak. Nach 1985 erlebten wir dies erneut. Stalin und seine Verbrechen mussten zur Untermauerung von Gorbatschows Perestroika herhalten. Bei Chruschtschow wie bei Gorbatschow wurde der Mangel an theoretischem Denken, das Fehlen einer marxistisch-leninistischen Konzeption für Gegenwart und Zukunft, durch Fehlerdiskussionen zugedeckt. Gorbatschows Weg zur »Perestroika für die ganze Welt« zeigte, dass er den Marxismus-Leninismus bereits ganz verlassen hatte. Mit Losungen, die er immer wieder auswechselte, schuf er die Voraussetzungen zum Ruin der KPdSU und der Sowjetunion.
    Zunächst forderte er: Alle Macht den Räten und mehr Demokratie. Mit dieser Losung schaltete er die Partei aus. Danach hieß es: Alle Macht dem Präsidenten. Und der Präsident beseitigte die Supermacht und sich selbst. Jelzin schließlich zerschlug die UdSSR. Gorbatschow und Jelzin spielten sich den Ball zu. »Ich werde den Kommunismus ausrotten«,
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