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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler
Autoren: Sam Gayton
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Holzlöffel, ließ einige Tropfen Äther auf den Stiel fallen und begann dann die Wolke umzurühren, erst langsam im Kreis herum, dann immer schneller und schneller, bis der Nimbostratus mit atemberaubender Geschwindigkeit herumwirbelte, und der Schneehändler wirbelte darunter im Kreis, und Lettie wurde ganz schwindlig vom Geruch und den Geräuschen, und dann … plötzlich …
    … fiel etwas aus der Wolke herab.
    Vier faszinierte Augenpaare sahen den winzigen, weißen Schwebeteilchen zu, die ohne einen Laut auf den Teppich herabrieselten. Der Schneehändler rührte wieder in der Wolke. Auf einmal ergossen sich Hunderte, nein Tausende solcher kleinen … Dinger auf den Boden.
    »Meine Damen, liebe Kinder«, verkündete der Schneehändler mit großen Gesten. »Ich präsentiere: Schnee!«
    Lettie konnte sich weder rühren noch sprechen noch etwas tun, nur atemlos zuschauen, wie der Schnee herabfiel.
    »Was ist das?« Die Glotzerin krabbelte zu dem auf dem Teppich liegenden Schnee. Die Linsen ihrer Sucherbrille waren heruntergeklappt. Dahinter glotzten ihre riesigen Augen auf das unbekannte Weiß. »Sind das Diamanten? Ja, sind es! Diamanten!«
    »Nein, viel wertvoller als Diamanten«, sagte der Schneehändler im Flüsterton. »Jede einzelne Schneeflocke ist ein winziger … einzigartiger … Schatz.«
    Lettie war verdutzt und wütend und verängstigt. Auf einmal lag auf ihrem letzten verbliebenen Teppich mehr Wohlstand, als ganz Tauschdorf beherbergen konnte. Reichtümer, die sie nie anhäufen würde, selbst wenn sie das Gasthaus ihr Leben lang weiter betrieb. Wie konnte der Schneehändler bloß annehmen, sie würde diese Diamanten kaufen, wo sie doch nichts in der Tasche hatte?
    Die Glotzerin begann hastig vor sich hin zu brabbeln und ließ dabei immer wieder versprengte Fetzen Bohemienisch einfließen. Lettie verstand nur so viel: »Ich muss diesen Schnee haben!« und »Aus Schnee mache ich den wundervollsten Schmuck, den die Welt je gesehen hat!«
    »Und ich werde ihn tragen!«, verkündete das Walross. »Mit Schnee besetzter Schmuck!«
    Offenbar hatten sie beide kein Auge mehr übrig für die Kandelaber-Ohrringe. Denn hier bot sich ihren Augen etwas weit Unglaublicheres.
    »Ich werde die größte Juwelierin der Welt sein!«
    »Ich werde umwerfend aussehen! Ganz bestimmt werde ich dann endlich zur Herzogin gemacht! Ich werde die eleganteste Herzogin von ganz Laplönd sein!«
    Aber der Schneehändler schüttelte den Kopf. »Sie sind nicht meine Kundschaft.«
    Das Walross lachte auf. »Aber wir sind reich!«
    Der Schneehändler zuckte mit den Schultern. »Unter normalen Umständen wäre dies durchaus attraktiv für mich. Aber in diesem Fall ist Lettie Peppercorn die einzige Kundin, an die ich verkaufen werde.«
    Lettie schaute zum funkelnden Schneehaufen auf ihrem Teppich und traute ihren Ohren nicht.
    »Nennen Sie Ihren Preis«, beharrte die Glotzerin.
    »Für Sie habe ich keinen.«
    Die Glotzerin reckte ihre langen, knochigen Finger in die Luft. »Da!«, schrie sie. »Neunundvierzig Goldringe, alle von kurzfristig abgesagten Hochzeiten auf dem Festland!«
    Der Schneehändler würdigte sie keines Blickes. Seine blauen Augen waren auf Lettie und nur Lettie fixiert.
    Und immer noch schwebte der Schnee herab.
    Und immer noch.
    »Hier!«, rief die Walrossfrau und zerrte wie von Sinnen an ihren fleischigen, behaarten Ohrläppchen. »Kandelaber-Ohrringe! Aus kostbarstem Kristall! Die können Sie doch unmöglich ausschlagen.«
    »Kann ich wohl.« Der Schneehändler wandte sich an Lettie. »Na los, Mädchen. Nimm sie dir.«
    Lettie schluckte trocken.
    Er zeigte auf den Schneehügel am Boden. »All die vielen winzigen, perfekten Diamanten.«
    Aber Lettie konnte sich nicht vom Fleck bewegen, so fassungslos war sie. Der Mann beugte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr, als hätten sie ein gemeinsames Geheimnis: »Sie gehören alle dir.«
    Lettie betrachtete die Diamanten auf dem Teppich. Vor ihrem inneren Auge sah sie die Zukunft, die sie heraufbeschworen: eine Zukunft ohne Schulden, ohne Schuldeneintreiber, ohne unhöfliche Gäste …
    »Aber Sir …«, wandte sie schließlich kleinlaut ein. »Ich kann Ihnen nichts dafür bezahlen.«
    »Sie sind ein Geschenk«, sagte er.
    Das klang einfach zu gut, um wahr zu sein. Wie ein Wunder … Nur dass der Schneehändler – und das war der einzige Haken an der Sache – so gar nicht wie ein Wunder wirkender Engel aussah. Eher wie ein ausgefuchster, hinterhältiger
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