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Lesereise Zypern

Lesereise Zypern

Titel: Lesereise Zypern
Autoren: Knut Diers
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Schweiz vor. Jeder Bewohner sollte die zypriotische und die Staatsangehörigkeit des Landes bekommen, aus dem er stammt. Doch der Süden sah in dem zweihundertzwanzig Seiten umfassenden Plan mit neuntausend Seiten Anhang zahlreiche Tücken: zu viel fremdes Militär, zu wenig Rückgabe von Immobilien im Norden und kein selbstbestimmtes Handeln der Zyprioten.
    Selbstbewusst zeigen sich hingegen die türkischen Inselbewohner. Schon auf einen Hang der Berge nördlich von Nikosia haben sie ein weithin lesbares Mosaik gelegt. Der türkische Halbmond ist zu erkennen und ein Zitat des ersten türkischen Präsidenten nach dem Osmanischen Reich, Mustafa Kemal Atatürk: Du kannst stolz sein, ein Türke zu sein – so etwa lautet der durch seine Größe fast bedrohlich wirkende Schriftzug übersetzt. Ein riesiges Schild »forever« prangt zudem am Grenzkontrollpunkt Ledra-Palace in Nikosia über einem kleineren »Türkische Republik Nordzypern«. Und Rauf Denktaş, Präsident dieser Republik bis 2005, verstand sich bis zu seinem Tod 2012 als Bremser einer Wiedervereinigung.
    Zwar gilt im Norden offiziell noch die türkische Lira, doch wird der Euro, der seit 2008 im Süden als Zahlungsmittel dient, auch hier gern genommen. Immerhin steht der Name »Zypern« neben griechisch schon auf Türkisch auf den Euro-Münzen: Kibris. Die wirklichen Probleme liegen allerdings viel tiefer – nämlich unter dem Meeresspiegel – und haben auch etwas mit Geld zu tun. Es geht zwischen der Türkei und Zypern um die Frage, wo genau der Festlandsockel verläuft. Große Schätze an Erdöl und Gas schlummern unter dem Meer. Doch wem gehören sie? Wären sie zypriotisch, könnte das Land bald in die Organisation erdölexportierender Länder eintreten. Dann wäre die kleine Insel bald eine Art Tresor für Petrodollars. Gehörte aber der nördliche Teil zur Türkei, vergrößerte sich das Hoheitsgebiet drastisch. Zypern liegt geologisch gesehen auf der Anatolischen Platte, daran kann kein Parlamentsbeschluss etwas ändern. Also würden dann die Einnahmen aus dem Verkauf des flüssigen Rohstoffs von den künftigen Bohrinseln nach Ankara fließen.
    Zypern prescht nun vor. Es hat sich mit den anderen Anrainern des östlichen Mittelmeers Libanon, Israel und Ägypten schon geeinigt, wo unter Wasser die Grenzen in der jeweiligen Richtung verlaufen. Eine amerikanische Firma ist im östlichen Mittelmeer aktiv und lässt die Bohrgestänge in die Meerestiefen hinab. Die Türkei ist empört und hat die staatliche türkische Ölgesellschaft auf Kurs Richtung Zypern gebracht. Auch sie treibt ihre Messungen im Untergrund voran.
    Einstweilen haben die Nordlichter sich jedoch im Süden beliebt gemacht, als dort schlagartig das Licht ausging. Eine gewaltige Explosion von schätzungsweise zweitausend Tonnen falsch gelagerter Munition in einer Militärbasis nahe dem Kraftwerk am Governor’s Beach im Juli 2011 mit dreizehn Toten kappte die Stromversorgung der halben Insel. Sogar Flughäfen mussten schließen, weil die Lichter ausgingen. Sofort sprang der Norden mit seinem Kraftwerk ein und schickte Strom vorbei. Doch gegen Bezahlung, wie der Süden gleich monierte. Immerhin hätten sie nach der Besetzung des Nordens noch jahrelang gratis Strom dorthin geliefert, ließen sie zerknirscht wissen.
    Wenn es ums Geld geht, sind die Inselteile ohnehin verfeindet. Zweihundert Millionen Euro im Jahr zahlt angeblich die Europäische Union dem Norden als Dank, dass er sich 2004 gern wiedervereinigt hätte. Drei Milliarden Euro im Jahr ist der Regierung in Ankara angeblich die wirtschaftliche Unterstützung ihrer rund zweihunderttausend nordzypriotischen Freunde wert, denn Industrie und Arbeitsplätze sind dort rar. Nordzypern verkauft hauptsächlich Zitrusfrüchte und Raki in die Türkei. Finanziert werden müssen aber auch die vermutlich dreißigtausend türkischen Soldaten, die den Norden bewachen – hinter Mauern und Stacheldraht. Und hundert Millionen Euro im Jahr verprassen anscheinend griechische Zyprioten in den siebzehn Casinos des Nordens, jedenfalls legen das die Abbuchungen per Scheckkarte von den Konten im Süden nahe. Da ist das Glücksspiel verboten.
    Jetzt soll erst einmal eine Pipeline vom türkischen Festland in den Norden gelegt werden, damit genug Trinkwasser auf die chronisch unterversorgte Insel spült. Was das wieder kostet!

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