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Lesereise Zypern

Lesereise Zypern

Titel: Lesereise Zypern
Autoren: Knut Diers
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können aus der Nähe erleben, wie die Oliven über ein Förderband tanzen, duschen und baden. Aus der trichterförmigen Mühle rinnt unten der gelbgrüne Olivensaft – kalt gepresst. Das wird dann auf dem Etikett stehen. Alexandros, der daneben steht, lobt das reine Produkt aus seinem Garten Eden: »Gesund, sehr gesund, nimm eine Flasche mit.«
    Nun sieht Alexandros nicht wie der Träger eines Doktorhuts der Medizin aus, aber Ernährungswissenschaftler empfehlen es bekanntermaßen schon lange: Es verringert das Risiko an einer Verhärtung und Verengung der Schlagadern zu leiden, was gemeinhin als Thrombose, Herzinfarkt oder Schlaganfall in die Krankheitsstatistik eingeht. »Kommt alle zu meinem Kochkurs, da werden wir leckeres, gesundes Essen zubereiten«, lädt Alexandros die Truppe ein.
    Es gehe beim Landurlaub nicht ums »süße Leben«, erläutert der Kleinbauer, es gehe ums gesunde Überleben, wie er meint. In immer mehr Dörfern auf der Insel stehen Landhäuser bereit, die genau das anbieten. Das »ländliche Zypern« im Troodos-Gebirge ist als eine von zehn herausragenden Regionen in der Europäischen Union sogar dafür ausgezeichnet worden.
    Helenas Gäste lassen sich in die Korbmöbel fallen. Ein Paar erzählt von seiner gestrigen Liebesnacht auf der großen Matratze im Himmelbett. »Das Bett knarrte, der Holzfußboden knarrte und über uns hing ein weißer, durchsichtiger Schleier«, flötet die Frau, die diese Mischung aus rustikalem und traumhaftem Umfeld offenbar genossen hat. »Meine kleine Aphrodite«, vervollständigt der Mann den Eindruck und schaut seiner Frau in die Augen.
    Die Ziegen verlangen jetzt die volle Aufmerksamkeit. Helena muss melken gehen. Sie tut das gern, wenn die Gesichtszüge jetzt nicht täuschen. Sie strahlt. Sie lebt hier sehr zufrieden. Sie hat den Eindruck, eine göttliche Alternative zur Verschandelung der Küstenbadeorte mit ihren langen Ferienhausanlagen zu bieten. »Dem Halloumi sei Dank«, ruft sie noch.

Im Schlepplift zum Olymp
Der Olympionike und das Sekundenglück des Skifahrens
    Von wegen Kunstschnee – Lambros Lambrou wird ärgerlich. »Wir haben von Januar bis Ostern hier oben auf dem Olymp oft bis zu einem Meter achtzig ehrlichen Schnee«, sagt der Chef des Cyprus Ski Clubs stolz. All dem Getue in den Skigebieten der Welt, der Natur nachzuhelfen, wenn Frau Holle nicht genug von oben schickt, steht der erfahrene Skifahrer mindestens skeptisch gegenüber. Von Saisonverlängerung durch chemische Zusätze, Kanonen und Wasser kann hier ohnehin nicht die Rede sein. Zypern ist eine natürliche Skifahrernation.
    Auf Lambros’ Skioverall leuchtet in Herznähe ein Emblem, auf das der bärtige Mann stolz ist: eine weiße Friedenstaube auf gelbem Grund, umrankt von einem Lorbeerkranz, der unten von den fünf olympischen Ringen verziert ist. Lambros war bei mehreren olympischen Winterspielen dabei – als Mann von der Sonneninsel Zypern.
    Zu gern erzählt er, wie ihn die Reporter umlagerten. Wie sie von ihm wissen wollten, wo er denn den Abfahrtslauf geübt habe. »Auf Zypern kann es nicht gewesen sein«, gaben sie lachend ihr Unwissen weiter. Von den sechs Pisten, drei Schleppliften und seit Kurzem auch einem Sessellift rund um den 1952 Meter hohen Berg wissen selbst heute noch die wenigsten. Sich im Schlepplift auf den Olymp ziehen zu lassen, ist schon etwas Göttliches. So weich und frisch knirscht der Schnee unter den Brettern.
    Lambros erzählt von den Olympischen Spielen in Innsbruck 1976. Damals hätten die österreichischen Zeitungen geschrieben, er habe es mit der Angst bekommen, als er in Innsbruck zum ersten Mal die Piste von oben gesehen habe, und sei wieder umgekehrt. »So ein Quatsch«, empört er sich noch heute. »Die wollten doch nur eine Schlagzeile mit einem Exoten.« Der war er zweifellos, doch gefahren ist er, keine Frage. Und wie! Er weiß sogar, dass er nicht Letzter wurde. »Ich war vor dem Chinesen im Ziel«, erinnert er sich. Am Oberarm trägt der Abfahrtsläufer auch einen Aufnäher. Er weist auf die »Small European Ski Nations« hin, kurz SES genannt. Die Idee zu diesem Verbund kam den Zyprioten 1988 in Calgary. Zwei Jahre später baten sie hier oben am Olymp zum ersten Gipfeltreffen. Andorra, Belgien, Island, Luxemburg, Portugal, Irland, Monaco und San Marino gingen an den Start. Wer gewann, spielte eigentlich keine Rolle. Dabei sein ist alles.
    Seit 1980 waren Zyprioten bei allen Winter- und Sommerspielen unter ihrer eigenen Flagge dabei,
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