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Lesereise Zypern

Lesereise Zypern

Titel: Lesereise Zypern
Autoren: Knut Diers
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Kulisse des Besparmak-Gebirges hinauf zur Kreuzritterburg St. Hilárion, die schon von der Küstenebene aus gut zu sehen ist. Sie strahlt so anmutig, dass sogar Kaiser Friedrich II., als er 1228 hier vorbeipreschte und ganz andere (Kreuzfahrer-)Ziele im Visier hatte, anhielt. Er ließ sie belagern, bis sie an seine Truppen verraten wurde. Das Schmuckstück im Fünffingergebirge mit seinem märchenhaften Aussehen diente gar dem Walt-Disney-Film »Fantasia« als Vorbild. Die gotische Klosterruine Bellapais liegt auch nicht weit und liefert eine zauberhafte Kulisse für Konzerte. Auch einen Schriftsteller inspirierte die Lage mit Blick auf Oliven, Johannisbrot, Orangen und Zitronen, die alle hier wachsen. In »Bittere Limonen« macht Lawrence Durrell anschaulich, wie einfache, friedliebende Menschen durch die äußeren Ereignisse plötzlich Hass und Brutalität entwickeln. Er hat es erfahren. Er lebte von 1953 bis 1956 als Lehrer und britischer Beamter auf Zypern.
    Zu jener Zeit kämpfte die Untergrundbewegung gegen die Briten und für den Anschluss an Griechenland. Dann kam 1960 die Unabhängigkeit. 1974 folgte das Zerwürfnis des zypriotischen Präsidenten Erzbischof Makários III. mit der griechischen Militärjunta in Athen. Sie befahl schließlich den Sturm griechischer Offiziere der zypriotischen Nationalgarde auf den Präsidentenpalast in Nikosia. Makários III. floh über Malta nach London und New York in einer britischen Militärmaschine. Da die Briten oder Amerikaner nicht reagierten, begann die Türkei am 20. Juli 1974 mit ihrer Invasion. Der Norden ist seitdem besetzt. Tatsächlich sieht man bei der Reise durch die Dörfer auch heute noch viel Militär. Im Dezember 1974 kehrte Makários III. zurück und bemühte sich bis zu seinem Tod 1977, die Türkei zum Abzug zu bewegen. Vergeblich.
    Den Meeresschildkröten am Strand von Alagadi östlich von Kyrénia ist das alles ziemlich gleichgültig. Sie kehren zur Eiablage an ihre alten Orte zurück, unabhängig von politischen Landkarten. Dies ist neben dem Lara Beach am Westufer nördlich von Pafos zwischen Juni und August eines der letzten Rückzugsgebiete der zweihundert Millionen Jahre alten Tierart im Mittelmeer. Der Schutz der Tiere und Eier steht an oberster Stelle. Daher sind die Strände einige Zeit gesperrt, um das Überleben dieser schwimmenden Dinosaurier zu ermöglichen.
    Wer aber in den Norden fliegen möchte, um alle diese Natur- und Kulturschönheiten anzuschauen, ist auf eine türkische Fluglinie angewiesen. Direktflüge gibt es nur vom Festland aus. Istanbul ist meist das Drehkreuz für Gäste aus dem fernen Ausland. Der einzige Flughafen der Türkischen Republik Nordzypern befindet sich etwa achtzehn Kilometer südöstlich von Nikosia und heißt Ercan. Damit wird der beim türkischen Einmarsch 1974 gefallene Pilot Fehmi Ercan gewürdigt.
    Von Ercan sind es nur wenige Kilometer bis nach Famagusta im Osten. Allerdings ist die Stadt eine verblasste Schönheit. Viele Häuser der Altstadt sind verfallen. Hochgeschossene Hotels an der Küste bringen Betriebsamkeit. Putzig sieht die vor vierhundert Jahren zur Moschee umgebaute frühere Kathedrale aus, der die obere Hälfte fehlt. Ein Minarett füllt die Lücke und piekst vorsichtig in den Himmel. Etwas nördlich aber liegt Salamis – tausendfünfhundert Jahre lang die größte Stadt Zyperns. Königsgräber, Tempelreste und Mosaiken sowie Amphitheater und Thermen verraten römisches Volkstum. Zuvor waren um 1000 vor Christus hier griechische Seefahrer gelandet.
    Eines Tages landete auch Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, in Nikosia. Er verstand die Welt nicht mehr. Der Norden wollte sich wiedervereinigen lassen, der Süden nicht. Zwei Drittel der Bewohner des ärmeren türkischen Nordens forderten ein gemeinsames Zypern, drei Viertel der Menschen im griechischen Süden stimmten dagegen. Die einfache Wahrheit dieser Volksabstimmung am 24. April 2004 auf der gesamten Insel mündete ein paar Tage später dennoch wie geplant im Anschluss Zyperns an die Europäische Union. Ganz Zypern wurde aufgenommen, nur de facto – wie die Juristen sagen – der Norden nicht, solange er türkisch besetzt bleibt. Dort hatte der türkische Zypriot Rauf Denktaş am 15. November 1983, neun Jahre nach der Besetzung durch türkische Truppen, die Türkische Republik Nordzypern ausgerufen. Anerkannt wird sie bis heute von niemandem, außer von der Türkei.
    Dabei schwebte Kofi Annan ein Staatenbund wie die
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