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Lesereise Schweiz

Lesereise Schweiz

Titel: Lesereise Schweiz
Autoren: Beate Schuemmann
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gegründet worden waren. Das älteste und exklusivste ist das Le Rosey, das in Gstaad 1916 eine Dependance gründete – und es ist das teuerste, was der Nobelschule einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde eingebracht hat. Das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes schrieb 1999 einmal, dass das Le Rosey der einzige Ort auf der Welt sei, wo Kinder auf ihre künftige Rolle als Milliardäre vorbereitet würden. Fünfzehnjährige tragen hier gebügelte Hosen, Gürtel von Hermès und das goldene Institutswappen auf dem weißen Blazer. Hinter den Internatsmauern wird hart gebüffelt; es geht um Disziplin, Verantwortung und Network. Die Zöglinge hießen Rockefeller, Rothschild, Aga Khan, Grimaldi, und auch die Kinder von John Lennon, Diana Ross, Elizabeth Taylor und Roger Moore drückten hier die Schulbank. Im Le Rosey trifft sich die globale Elite, in Gstaad wächst eine Leadership-Generation heran.
    Die exklusive Schule zog immer mehr Reiche, Adlige und Stars ins Saanenland. Das gründerzeitliche Schlosshotel Gstaad Palace bot den Eltern auf Besuch seit 1915 eine standesgemäße Unterkunft, oder eines der vielen anderen Fünf-Sterne-Häuser, oder sie kauften sich auf dem »Goldhügel« gleich ein Chalet. Das Internatswesen war seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein Wirtschaftsfaktor. Außer dem Le Rosey gibt es zwei weitere Eliteschulen, die renommierte Kennedy School und die Gstaad International School.
    Das exklusive Dorf schien lange eines der letzten Refugien der Reichen zu sein. Doch seit der Finanz- und Wirtschaftskrise, die das neue Millennium beschert hat, geben auch die Reichen das Geld nicht mehr ganz so leicht wie früher aus. Gstaad reagiert mit ungewohnten Maßnahmen: Der Nobelort wirbt für sich, wie jedes normale Feriendorf, um neue Gäste. Die Suche führt bis nach Russland und China. Seinem Image will man gern treu bleiben, was mit hochrangigen Veranstaltungen unterstrichen wird: dem Gourmet-Festival »Davidoff Saveurs«, dem Yehudi-Menuhin-Musikfestival, dem Golfturnier UBS Gstaad Pro-Am, dem Tennisturnier Allianz Swiss Open oder eben dem Hublot Polo Gold Cup. Die Kunst des stilvollen Verarmens muss man in Gstaad noch nicht lernen.
    Sonst scheint alles zu sein, wie es immer war. Rundum sonnen sich Wiesen und Matten, auf denen im Winter Schnee liegt und im Sommer das Vieh weidet. Schnell überkommt einen das alpine Heile-Welt-Gefühl. Manchmal trotten auf der Hauptstraße sogar die braunen Kühe durch das Dorf, und dann müssen auch die Bentleys und Maybach-Limousinen warten. Wenn die Fenster der Bauernhäuser geschlossen sind oder keine Geranien davor stehen, weiß man, dass die Bauern mit den Kühen im Bergsommer sind. Auch Jakob und Erika Zumstein ziehen auf die Alp, von denen es noch um die hundert gibt. Glockengeläut und das Anschlagen von Hund Brita, wenn Gäste kommen, sind die markanten Geräusche, wenn man zur Alp Turnels aufsteigt. Sonst ist es still, oben auf neunzehnhundert Metern. Die schwarzgebräunte Hütte, unter deren Dach Mensch und Tier zusammenleben, liegt oberhalb der Waldgrenze. Auch Jakob schätzt das Simmentaler Fleckvieh, jenes Hausrind aus dem Nachbartal. »Ein robuster Weidetyp, gut im Fleisch«, sagt Jakob. Es kostet ein Vermögen, aber die Gourmets lieben es. »Hier oben wachsen viele wilde Kräuter«, freut sich Jakob. Gut für das Fleisch und den Käse, für den die Zumsteins schon eine Goldmedaille bekommen haben. »Den Unterschied zwischen Alp- und Talkäse schmeckst du genau«, erklärt Erika. »Den Unterschied von Alp zu Alp merkt nur ein Kenner.« Sie lacht, weil sie weiß, dass es von den Kennern in Gstaad viele gibt. Jakob sitzt in Gummistiefeln am langen Holztisch und schenkt einen Williamsbrand ein. Das Wasser aus dem Hahn ist Quellwasser. Erika stellt eine Schale Salat und einen großen Topf mit Spaghetti dazu, aus dem sie großzügige Portionen auf die Teller lädt, wie sie es oft für Gäste tut. Essen auf der Alp ist ein Gemeinschaftserlebnis. Zum Nachtisch gibt es Obstsalat und dicke fette Sahne, aus eigener Milch. Am nächsten Morgen macht sie aus dem Rest der geschöpften Sahne Butter. »Im Sommer kommen viele, auch die Promis«, sagt Erika. Manchmal wollen sie im Heu übernachten, manchmal nur etwas essen. Sie suchen die Natur, die meisten sind sehr zurückhaltend und bescheiden. »Hochnäsige haben wir in Gstaad nicht.«

Adlerauge, sei wachsam
Ein Robin Hood der Natur im Gomstal
    Es ist vier Uhr dreißig. Das Telefon klingelt. »Holzer, Werner, der
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