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Lesereise Schweiz

Lesereise Schweiz

Titel: Lesereise Schweiz
Autoren: Beate Schuemmann
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Herbst mit seiner bunten Blätterfärbung ist vielleicht die schönste Jahreszeit für die Erkundung in der Weinregion, die mit nur etwa fünftausendzweihundert Hektar Rebland das größte Weingebiet der Schweiz ist. Die Weine sind so vielfältig wie die Böden, auf denen die Rebstöcke wachsen. Mal herrschen Gneis und Granit vor, mal glänzender Schiefer, mal Kalk, Mergel oder Sandstein. Die Appellation d’Origine Contrôlée, kurz AOC , bringt Topqualität, was ein Flaschenetikett mit dem Vermerk »Valais AOC « verbrieft. Das ist auch auf die seit 1982 geltenden strengen Ertragsbeschränkungen und die rigorose Qualitätskontrolle zurückzuführen.
    Auf der Weintour entlang der Rhône erklären Informationstafeln am Wegesrand Wissenswertes über die Rebsorten, Techniken des Rebbaus und Kulturmethoden, aber auch die Auswirkungen des Weinbaus auf Landschaft, Wirtschaft und Kultur. Vor den knorrig wachsenden Rebstöcken unterhalb der kleinen Barockkapelle Saint-Ginier ist auf einer Tafel zu lesen, dass die kupferfarbene Grauburgundertraube für die goldgelbe Tönung des noblen gehaltvollen und samtenen Malvoisie verantwortlich ist. Über den Humagne, eine heimische Walliser Traube ohne Verwandte in Europa, ist zu erfahren, dass er – egal ob rot oder weiß –, stets aus roten Trauben hergestellt wird. Der Weißwein entsteht, wenn die Kelterreste sofort entfernt werden und der Wein mit der roten Beerenhaut nur kurz in Berührung kommt. Auch Pinot und Dôle Blanche entstehen so. Obwohl sie leicht eingefärbt sind, gelten sie nach dem Schweizer Lebensmittelgesetz als Weißweine. Kein Wunder, dass im Wallis mehr rote als weiße Trauben gepflanzt werden. Die Geschmackserlebnisse schwanken zwischen Vanille-, Rosen-, Minze-Aromen, einem Hauch von Lakritz und gealtertem Roggenbrot. Der Malvoisie, wie hier der Pinot Gris heißt, bietet ein Spektrum von Honig, Pinie, Zedernholz und Nußbaum. Der Johannisberg, eine Rebsorte aus Transsylvanien, erreicht auf den kiesigen und schieferhaltigen Walliser Böden beispielsweise Aromen von Birne, Linde, Banane und sogar leicht von Mandel. Insgesamt werden im Wallis um die fünfzig Rebsorten angebaut. Von blumig-würzig und lieblich bis fein und edel findet man viele Charaktere. Auf dem Rebwanderweg lässt sich auch die Nase für den Wein trainieren.
    Abgesehen vom trockenen, spritzigen Fendant, der wie kein anderer Schweizer Weißwein bekannt ist, dominieren die roten Sorten Pinot Noir, Dôle und Gamay. Der Dôle, das Flaggschiff unter den Walliser Rotweinen, ist eine Vermählung von Pinot Noir und Gamay, wobei der Erstere den Löwenanteil ausmacht. Für ihren typisch Walliser Charakter sind die weißen Sorten Arvine, Amigne, Païen und Humagne Blanche und die roten Humagne Rouge und der Cornalin bekannt. Die selten gewordenen Muscat, Fendant, Pinot Noir und Rèze wachsen nur noch in kleinen Rebparzellen. Sie profitieren vom trockenen kontinentalen Klima mit häufigen Föhnperioden, wenig Niederschlag und zweitausendeinhundert Sonnenstunden im Jahr. Besonders der Föhn ist der Vegetation im Frühjahr und dem Reifeprozess der Trauben im Spätsommer förderlich, der milde Herbst wirkt sich günstig auf den harmonischen Aufbau der Duft- und Geschmacksstoffe aus.
    Der Rebweg führt durch kleine Winzerdörfer mit sonnenverbrannten Holzhäusern, engen Gassen, alten Weinkellern und Ställen. Im Dorf Muraz setzten geschickte Konstrukteure die Vorratskammern auf Stelzen, an denen mühlsteingroße Steinscheiben Mäuse am Hinaufklettern hindern. Auf einer Sonnenterrasse hinter Muraz taucht der markante rechteckige Turm von Venthône auf, der aus dem 17. Jahrhundert stammt. Veyras ist eine Gegend, die gut für den Blauen Burgunder ist. Der Dichter Rainer Maria Rilke hielt sie für den »schönsten Flecken auf Erden«. 1921 mietete er das an der Straße nach Miège gelegene Schloss Muzot; bis zu seinem Tod 1926 verbrachte er hier seine produktivsten Jahre.
    Die Weinlese beginnt, wenn die Öchslewerte, also das Gewicht des Mostes, stimmen. Den Mindestgehalt an Zucker prüfen die Önologen. Anschließend setzt der kantonale Regierungsrat einen Termin für die Lese fest, meist fällt er auf Anfang Oktober. Dann schwärmen die Leser mit ihren Körben und Treckern aus, und der Wanderer kann ihnen bei der Arbeit zusehen – oder helfen. Zuerst werden die Rebsorten mit niedrigen Öchslegraden, also Fendant und Pinot Noir, geerntet. Als letzter ist der St. Martini-Wein am 11. November an der
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