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Lesereise Schweiz

Lesereise Schweiz

Titel: Lesereise Schweiz
Autoren: Beate Schuemmann
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sechzigfach vergrößert, aufstellt. Eine hochkarätige Ausstattung, die kein billiges Vergnügen war. Fernrohre und seine Bergschuhe mit der wasserabweisenden Doppelzunge – für Holzer ist das eine Investition fürs Leben. »Durch Militär- und Gleitschirmflieger wird das Rotwild bei der Äsung so sehr gestört, dass Hirsche fast schon Nachttiere geworden sind.«
    Er setzt seinen Feldstecher an, um sich an die Beobachtungsprojekte heranzupirschen. »Da!«, ruft Holzer und zeigt auf eine Lichtung am Berg gegenüber. »Ein kapitaler Hirsch!« Die ganze Bewunderung des Naturfreunds spricht. Holzers Arm ist vom Zeigen schon ganz lahm. Er gibt Orientierungspunkte vor, doch das ungeübte Auge erkennt das Rotwild nicht. »Reine Übungssache«, tröstet Holzer. Wichtig ist, Geländeabschnitte abzusuchen, einen Punkt zu fixieren, einen Felsvorsprung, eine Tannengruppe oder einen Bach, lautet der Rat des Routiniers. Nach einstündigem Training hat sich das Laienauge an den Feldstecherblick gewöhnt. Und plötzlich steigen aus den grünen Erlenbüschen rotbraune Punkte, drehen und wenden sich und springen davon. Zwischen Felsen und Lärchen bieten Hirsche, Rotwildherden, Gemsen und Murmeltiere faszinierende Anblicke.
    Die wachsimprägnierte, aber ungeeignete Outdoor-Jacke hat ihr Bestes gegeben. Jetzt ist die Kälte bis auf die Haut gekrochen, das Schuhleder vom Tau durchnässt. Der Forst-Gentleman hilft mit seinem molligen Thermomantel aus und zückt die Thermosflasche mit heißem Tee. Er ist im Survivaltraining in den Bergen geübt. Als das Zähneklappern aufgehört hat, räsoniert Holzer noch einmal über die Widersinnigkeit mancher Jägerideen. »Jetzt soll sogar das Abschießen der Muttertiere erlaubt werden«, sagt er zerknirscht. Er findet das grundfalsch. »Von ihnen lernen die Rotwildkälber das soziale Verhalten. Das ist für ihr Überleben, für jede Familie und jede Gesellschaft wichtig. Man darf nicht nur an das Wildbret denken.«
    Nach der Wildbeobachtung braucht auch Holzer Werner zuerst einmal einen guten Kaffee. »Ich bin eine Kaffeetante«, sagt er schmunzelnd, trinkt und zieht die Bilanz: Mindestens dreißig bis vierzig Stück Rotwild, dreißig Gemsen und vier Murmeltiere sind die optische Ausbeute des Tages. Er ist zufrieden, auch wenn er keinen Steinadler, von denen es immerhin noch zehn im Gomstal gibt, sichten konnte. »Es war zu windig für ihn.« Ein triftiger Grund, denn in der Natur hat alles einen Grund. »Vielleicht heute Abend«, sagt er und freut sich auf eine neue Chance.

Grauburgunder, Humagne und Dôle
Wo im Wallis der Wein reift
    Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt. Im Wallis beginnt die Wanderung damit, dass man in einem Schloss sitzt. Es ist das Château de Villa im Winzerquartier am westlichen Stadtrand von Sierre. Bevor sich der Wanderer groß bewegt hätte, verführt ihn das Restaurant im Hause mit Küche, Keller und Önothek zum Bleiben. Das ist gewollt, denn es geht um eine Weinwanderung, zumal die im Haus befindliche Ausstellung über Wein und Vinifikation geöffnet ist. Schon der modrige Duft im Weinkeller macht manchen schwach, der Blick auf die Weinkarte erst recht. Nur eingefleischte Biertrinker können dem edlen Fendant, dem finessenreichen Johannisberg oder dem roten Humagne, der sanft nach überreifen Waldbeeren schmeckt, widerstehen. Nicht-Schweizer Weintrinker greifen schnell zu, denn die Schweizer selbst schwören auf ihre guten Tropfen aus dem Wallis. Verständlich, dass sie sie ungern exportieren, zumal die Produktionsmengen recht niedrig sind. Tatsächlich verkaufen sie nur ein kleines Fünftel ins Ausland.
    Das Château de Villa ist der erste Teil des Walliser Reb- und Weinmuseums, der zweite Teil wartet im Zumofenhaus von Salgesch. Die beiden Ausstellungen sind thematisch in sich geschlossen, bilden aber zwei Teile eines Ganzen, nämlich der Weinkultur. Dazwischen liegt ein sechs Kilometer langer Weinwanderweg durch die Weinberge von Sierre, Veyras und Miège bis Salgesch. Vor dem Start lässt man sich im Südflügel des »Villa« noch von alten und neuen Weinpressen beeindrucken, darunter eine mit Hebelarm und Gewichtsstein arbeitende Presse von 1756.
    Ist der Wanderer auf dem Rebwanderweg, gelangt er schnell ins sinnliche Gravitationsfeld des Rhônetals. Wie ein fein gewobener Teppich sehen die terrassierten Weinhänge zwischen Sierre und Salgesch aus, die sich zwischen vier- und achthundert Metern oberhalb der Rhône erstrecken. Der
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